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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen
Autoren: Jo Zybell
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ins Nichts zu jagen…
    ***
    Einen halben Tag später. Ganz allein stieg er den Berghang hinauf. Es kostete ihn vier Stunden, aber es musste sein. Der Tod konnte warten.
    Unterwegs riss er Blütenstauden von Büschen und pflückte Blumen aus den Berghängen. Mit einem Arm voller Blüten erreichte er schließlich die Höhe.
    Er trat an den Rand des Abgrunds und blickte ins Flusstal hinab. In diesem Moment war er überzeugt davon, zum letzten Mal auf einem Berg zu stehen und in ein Flusstal zu blicken.
    Tief unter ihm ankerte der klobige Dreimaster. Achtzig Krieger vertrieben sich dort die Zeit mit Angeln und Jagen und Schwimmen. Er hatte Paacival und den Männern aus Poruzzia gesagt, es könnte länger dauern. Sie hatten mit den Schultern gezuckt. Der Tod konnte warten.
    Sein Blick schweifte an der Felskante entlang. Rasch entdeckte er den Felsvorsprung und fünf oder sechs Meter darunter den Sims in der Wand. Entlang des Abgrunds balancierte er zu der Stelle. Vorsichtig trat er auf den Vorsprung und sah abermals hinunter. Der Felssims, fünf oder sechs Meter unter ihm, trat etwa vier Meter aus der Wand.
    Danach fiel die Felswand fast dreißig Meter tief ab, bevor sie in einen weniger steilen, spärlich bewaldeten Hang überging.
    Hier war es geschehen.
    Rulfan ging in die Knie. Ein paar Blüten und Blumen ließ er nach unten auf den Felssims fallen. Dort hatte Honnes mit der Daa’murin gekämpft. Den größeren Teil arrangierte er auf dem Vorsprung vor dem Abgrund. Von hier oben aus hatte er Honnes erschossen…
    Eine Zeitlang starrte er nach unten. Die Szenen spulten sich vor seinem inneren Auge ab, die schrecklichen Szenen – bis an sein Lebensende würden sie ihn verfolgen. Wie so oft, wenn er sich erinnerte, wünschte er, er selbst wäre an Honnes’ Stelle gestorben.
    Er beugte sich über seine Schenkel, bohrte die Stirn in Blüten und Boden und begann zu weinen.
    Es war schon dunkel, als er keine Tränen mehr hatte.
    »Verzeih mir, mein Freund«, flüsterte er. »Ich habe dich getötet, ja, aber ich war nicht mehr Herr meines Willens. Ich werde dich rächen, das schwöre ich dir. Noch heute Nacht werde ich sterben oder eine jener Bestien töten, die mich gezwungen haben, dir das Leben zu rauben…«
    ***
    In der Ahrmündung mussten sie den Dreimaster vor Anker legen. Der Fluss war viel zu schmal für das klobige Schiff.
    Zwanzig Krieger ließ Rulfan unter Rolandos Kommando auf ihm zurück. Mit Paacival, Edi von Poruzzia und sechzig Kriegern zog er das Ahrtal hinauf nach Marienthal.
    Im Morgengrauen erreichten sie den Weinberg, auf dem das Jagdschloss mit dem Bunkereingang lag. An seinem Fuß blieb Rulfan stehen und starrte auf eine Wegkreuzung. Seine Männer stellten sich in einem Kreis um ihn auf. »An dieser Stelle habe ich zugesehen, wie mein Lupa getötet wurde, den ich liebte wie mein eigenes Leben. Ich griff nicht ein. Die Daa’murin, die ihn tötete, war längst Herrin meines Willens.«
    Rulfan ging in die Knie und streckte sich auf der Wegkreuzung aus. So verharrte er ein paar Minuten. Alle schwiegen. Endlich stand der Albino wieder auf. Er deutete zum Weinberg hinauf. »Dort oben irgendwo wartet ein Außerirdischer auf mich. Er ist der Sohn derer, die mich einst versklavte und den Virus zu euch allen brachte. Lasst uns gehen und ihn töten – oder sterben.«
    Sie stiegen den Weinberg hinauf. Auf seiner Kuppe umgab ein hoher Zaun das Jagdschloss, unter dem der Bunkerzugang lag. An das Schloss erinnerte sich Rulfan, an den Zaun nicht.
    Er bat einen Kämpfer zurückzubleiben und sich im Weinberg zu verstecken. Bei ihm ließ er Chira zurück.
    Nach dem langen Abschied von ihr befahl er Bäume zu fällen und eine Rampe über den Zaun zu errichten. Über sie gelangte die kleine Armee auf das Außengelände des Bunkers.
    Gegenwehr erhob sich erst, als sie das Jagdschloss stürmten.
    Die Marienthaler schossen mit Strahlern. Drei Dysdoorer und ein Coelleni aus Rulfans Truppe fielen.
    In den Rohbauten rund um das Schloss fanden sie zwei Panzerfahrzeuge mit intakten Geschützen. Unter deren Feuerschutz gelang die Erstürmung des Jagdschlosses. Wieder verloren fünf von Rulfans Männern ihr Leben.
    Im Jagdschloss machten sie fast vierzig Gefangene. Rulfan ließ ihnen sofort das Gegenmittel injizieren. Er hatte drei Männern aus Coellen beigebracht, wie man mit den Spritzen umging.
    Während die eine Hälfte seiner Armee das Feuer im Jagdschloss löschte, verfolgte die andere Hälfte zwei Dutzend Marienthaler
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