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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen
Autoren: Jo Zybell
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traten ihr in die Augen.
    »Bei Sonnenaufgang werde ich nach Süden aufbrechen«, sagte Muna. »Ich gehe in das schwarze Gemäuer und nehme ein letztes Bad. Kommt, begleitet mich.« Sie blieb stehen, sah zum Außendeck des Dreimasters hinauf und rief: »Du, du und du! In den Dom mit euch! Feuer machen!«
    Sie durchquerten die Aue, stiegen zur Stadtmauer hinauf und bückten sich durch eines der kleinen Mauerportale. Guur ging die ganze Zeit hinter Calundula. Ihr standen die Haare zu Berge. »Wo habt ihr meinen Geliebten hingebracht?«, fragte sie die Herrinnen.
    »Das erfährst du noch früh genug«, antwortete Sharan schroff. »Du wirst bald wieder mit ihm vereint sein. Und jetzt will ich keine Fragen mehr hören!«
    Sie erreichten die Domplatte. Dort setzte Guur sich auf einen Mauerrest. »Mir ist nicht nach Baden. Ich bleibe hier.«
    Niemand fragte nach, niemand hatte einen Einwand. Calundula folgte den beiden Herrinnen zum Dom. Die brennende Stimme in ihrem Hirn zwang sie dazu, und die Ungewissheit über PXLs Schicksal.
    Du wirst bald wieder mit ihm vereint sein. Sharans Worte gaben ihr zynischerweise die Kraft durchzuhalten.
    Unter dem Hauptportal des Doms blieb sie noch einmal stehen und blickte über die Domplatte zu Guur zurück.
    Zweihundert oder dreihundert Meter weiter hockte er auf dem Mauerrest. Er war weiter nichts als ein kleiner dunkler Fleck in der Nacht, eine Ausstülpung der Mauer und der Domplatte, und natürlich sah Calundula sein Gesicht nicht. Aber sie spürte seinen Blick. Und sie spürte die unfassbare Kraft seines Geistes in ihren Hirnwindungen. Die trieb sie in den Dom hinein.
    ***
    Eine Patrouille mussten sie unschädlich machen. In einem leer stehenden Haus fesselten sie die Kämpfer, und Rulfan spritzte ihnen das Gegenmittel. Sie ließen drei Wachen bei den zwei Gefangenen zurück.
    Zwei weiteren Patrouillen konnten sie ausweichen. Etwa eine Stunde lang hielten sie sich im Hinterhof eines Hauses verborgen. Chira, im Tragetuch vor Rulfans Brust eingekuschelt, verhielt sich still. Kein Winseln, kein Knurren, kein Kläffen, nichts.
    Die neun Bewohner des Hauses überwältigen sie im Handumdrehen. Sie fesselten und knebelten sie. Rulfan injizierte das Gegenmittel und ließ drei Wachen zurück.
    Anderthalb Stunden später erreichten sie das Haus des Kanzlers. Rulfan verteilte Doppelposten rund um den Gebäudekomplex, stellte die Männer unter das Kommando der Poruzzen und wies sie an, keinen Bewaffneten ins Haus oder in den Hof zu lassen.
    Seite an Seite mit Paacival, Glemenz und drei weiteren Dysdoorern drang er in das Kanzlerhaus ein. Sie überraschten Jannis Attenau, seinen Sohn Harris und seine Schwiegertochter Gittis im Schlaf. Schoosch Attenau, der Enkel des Kanzlers, war nicht im Haus. Der Neunzehnjährige hatte inzwischen geheiratet und ein eigenes Heim bezogen, wie Rulfan später erfuhr.
    Ohne Handgemenge ließen sich die drei Überwältigten in den großen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss führen. Sie erkannten Rulfan sofort. Er hatte nichts anderes erwartet.
    »Ich habe oft an euch gedacht«, sagte er. Er ließ Chira aus dem Tragetuch springen und begann die Spritzen aufzuziehen.
    »Gern wäre ich euch unter einem freundlicheren Stern wieder begegnet, glaubt mir. Aber wenigstens komme ich nicht zu spät.« Er drückte die Luft aus den Spritzen, legte sie auf einen Teetisch und nahm das Stirntuch ab.
    »Willst du uns töten, wie du Honnes getötet hast, Rulfan?«
    Rulfan zuckte zusammen. »Jeder hier in Coellen weiß, wie du deinen besten Freund in den Abhängen über dem Tal des Großen Flusses erschossen hast.«
    Rulfan ging neben dem Kanzler in die Hocke und band ihm den Oberarm mit seinem Stirntuch ab. »Nein, ich werde euch nicht töten«, sagte er heiser. »Denn dank dieser Medizin hier bin ich wieder Herr meiner Sinne.« Er nahm eine der Spritzen vom Tisch, hielt sie über den Kopf. »Die werde ich auch euch jetzt ins Blut spritzen, und bald werdet ihr wieder tun und lassen können, was ihr wollt.«
    »Diese Stimmen im Kopf, Rulfan, dieser ungeheuerliche Druck…!« Gittis begann zu weinen.
    »Du redest mit einem Mörder, Frau!«, fuhr Harris sie an.
    »Wir müssen die Herrin alarmieren! Der Mörder hat es auf sie abgesehen…!«
    »Da hast du verdammt noch mal Recht, Freund Harris.«
    Rulfan fand die Ellenbeugenvene des alten Kanzlers und stach sie an. Er löste den Knoten des Tuches um Attenaus Oberarm und drückte ihm den Wirkstoff in die Vene. »Aber lassen wir erst einmal
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