Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
hätte man sich noch irgendwie arrangieren können, doch einer der schwersten Gegner wurde sehr bald unbestreitbar der Floh. Vom fresslustigen und fortpflanzungsfreudigen Floh und seinen Milliarden Brüdern sah man sich bald über und über bedeckt. Er sollte sich als der unablässige Gegner erweisen, wobei der andere Hauptfeind die Ratten waren, nicht weniger gefräßig und ebenso zahlreich wimmelnd, die sich ebenso unablässig vermehrten, immer fetter wurden und stets zu allem bereit, um eure Vorräte anzunagen – auch wenn die vorbeugend an einen Nagel gehängt waren –, eure Gurte anzuknabbern, sich sogar an euren Schuhen zu vergreifen oder gleich an euren Körpern, wenn ihr schlaft, und den Fliegen eure Augen streitig zu machen, wenn ihr tot seid.
    Wenn nur diese beiden gewesen wären, Floh und Ratte, die beharrlich und zielstrebig waren, wohlorganisiert und von einem einzigen Ziel besessen, von dem einzigen Lebenszweck bewegt, nämlich euer Fleisch zu benagen oder euer Blut zu saugen, euch jeder nach seiner Art zu vernichten – noch ganz zu schweigen vom Feind gegenüber, der aus anderen Gründen dasselbe Ziel verfolgte –, so hätte allein das schon oft genügt, um abhauen zu wollen.
    Nun entgeht man dem Krieg nicht einfach so. Die Lage ist simpel, man sitzt fest: Vorn der Feind, hier Ratten und Flöhe, hinter einem die Feldgendarmerie. Die einzige Lösung besteht darin, untauglich zu werden, also wartet man mangels besserer Möglichkeiten auf eine passende Verwundung, ja ersehnt sie irgendwann, denn sie verschafft einem den Passierschein in die Heimat (siehe Anthime), nur ist das Problem eben, dass sie nicht von einem selbst abhängt. Manche versuchten folglich, sich diese hochwillkommene Verwundung unauffällig selbst zuzufügen, zum Beispiel indem sie sich in die Hand schossen, aber meist funktionierte das nicht: Sie wurden überführt, verurteilt und wegen Hochverrats erschossen. Von den eigenen Leuten füsiliert statt von den Gasen, Flammenwerfern oder Bomben der anderen erstickt, verbrannt, zerfetzt zu werden, das konnte schon eine Möglichkeit sein. Doch konnte man sich auch selbst füsilieren, Zeh auf den Abzug und Gewehrlauf in den Mund, was ebenfalls eine wirksame Form des Abgangs war, eine weitere Möglichkeit.

13
    E ine dritte Lösung sollte Arcenel finden, ohne sie eigentlich gesucht zu haben, absichtslos und eher einem Impuls folgend, einer Eingebung, die dann als Kettenreaktion eine Laune hervorrief und dann eine Bewegung. Am Anfang dieser Kette stand, dass Ende Dezember – Bossis war tot, Anthime zu Hause – Arcenel auch Padioleau nicht mehr finden konnte. Er suchte ihn ringsum, erkundigte sich, so gut es ging, versuchte sogar, unangenehmen, herablassenden, verschlossenen Offizieren eine Information zu entlocken: vergebens. So zog er selbst seine Schlüsse daraus. Vielleicht war Padioleau am selben Tag gefallen wie Bossis, anonym im Schlamm liegen geblieben, ohne dass sich irgendwer in all dem Durcheinander darum bekümmert hätte. Vielleicht war er wie Anthime verwundet und nach Hause geschickt worden, ohne dass jemand sich die Mühe gemacht hätte, seine Kameraden darüber ins Bild zu setzen – und vielleicht, wer weiß, vielleicht hatten sie ihn auch einfach in eine andere Kompanie gesteckt.
    Wie auch immer, keine Spur mehr von Padioleau: Solchermaßen um seine drei Kameraden gebracht, fand Arcenel die Lage bald ziemlich beschissen. Der Krieg war sicher nicht lustig, in ihrer Gesellschaft aber doch besser erträglich, wenigstens konnte man sich zusammentun und miteinander reden, Meinungen austauschen, sich streiten, um sich wieder zu versöhnen. So eine Gruppe bot Geborgenheit, und trotz der immer unabweislicher werdenden Gefahr wollte man sich nicht vorstellen, dass dieses Dasein endlich sein könnte. Natürlich dachte man immer mehr oder weniger unscharf daran, war aber nicht darauf vorbereitet, dass es tatsächlich zu Ende gehen konnte und man auseinandergerissen wurde: Man hatte keinerlei soziale Vorsorge getroffen, niemals daran gedacht, Ersatzfreundschaften einzugehen.
    So war Arcenel also auf einmal allein. In den darauf folgenden Wochen und Monaten versuchte er zwar, innerhalb der Truppe neue Kontakte zu knüpfen, aber das hatte immer etwas Künstliches und war umso weniger einfach, als die vier Männer immer gewirkt hatten, als wollten sie sich von den anderen absondern, was diese jetzt ein wenig damit quittierten, dass sie ihn ignorierten – obwohl innerhalb der Kompanie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher