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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Autoren: Karl May
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Hilfe.“
    „Ich soll euch helfen? Wie meinst du das?“
    „Hast du mir nicht einen Verhaftsbefehl und sechs Khawassen versprochen?“
    „Ja. Sie sollten bei Tagesanbruch vor der Tür Hulams halten. Aber noch vorher erfuhr ich, daß du verunglückt seist. Brauchst du alle sechs?“
    „Nein; drei genügen.“
    „Sie sollen in zwei Stunden bei dir sein. Aber, wirst auch du das Wort halten, welches du mir gegeben hast?“
    „Ich halte es so, wie du das deinige.“
    „So lebe wohl! Allah lasse dich gesund und lebendig das Land deiner Väter erreichen!“
    Er ging. Seit ich mich geweigert hatte, ihm das Geld zu geben, war er ein ganz anderer geworden. Seine Untergebenen waren auch verschwunden. Nur der Sohn kniete neben seinem Vater und klagte laut um ihn. Letzterer lag in den letzten Zügen. Ich zog meinen Beutel heraus, zählte das Geld ab, welches Ali Manach gehört hatte, und gab es dem Khawassen. Er warf mir trotz seiner augenblicklichen Trauer einen ganz erstaunten Blick zu und fragte mich:
    „Das soll mir gehören, Effendi?“
    „Ja, es ist dein. Laß deinen Vater damit begraben. Sage aber dem Kadi nichts!“
    „Herr, ich danke dir! Deine Güte träufelt Balsam in die Wunde, welche Allah mir geschlagen hat. Mein Vater hat seinem Ruf gehorchen müssen. Ich bin arm. Nun aber kann ich ihm an seinem Grab einen Stein mit dem Turban setzen lassen, damit die Besucher des Mezarchane (Friedhof) sehen, daß da ein gläubiger Sohn des Propheten begraben liegt.“
    So hatte ich, der Christ, ohne es zu beabsichtigen, dem toten Moslem zu einem Denkstein verholfen. Ob das Geld des ‚Tanzenden‘ wohl besser angewendet gewesen wäre, wenn ich es dem Kadi aufgezählt hätte? –
    Wir hatten Hulams Wohnung noch nicht erreicht, so begegneten uns zwei Khawassen, welche Ali Manachs Pferd abgeholt hatten.
    So war also geschehen, was wir gestern abend für unmöglich gehalten hätten. Ich hatte gefragt: „Soll Ali Manach denn nicht bestraft werden?“ Die Gerechtigkeit hatte nicht nötig gehabt, ihn in Stambul aufzusuchen; er selbst war ihr in die Hände gelaufen. Wir freilich hatten durch dieses Ereignis den ganzen Vormittag eingebüßt. Es galt, dieses Versäumnis womöglich nachzuholen.
    Es wurde Kriegsrat gehalten. Zunächst warf Hulam die Frage auf, welcher Art wohl die Leute gewesen sein mochten, die in dem Haus, in welchem der Derwisch den Tod gefunden hatte, verkehrt hatten. Er glaubte, daß sie mit den Nassrs in Konstantinopel in Verbindung gestanden hätten. Dies war allerdings nicht unwahrscheinlich; doch hielt ich sie zugleich für solche Leute, von denen der Bewohner der Halbinsel sagt, daß sie ‚in die Berge gegangen seien‘.
    Jetzt hatte ich erst Zeit, den Zettel vorzunehmen, den ich bis jetzt noch nicht entziffert hatte.
    „Kannst du die Zeilen lesen, Effendi?“ fragte Isla.
    Ich gab mir alle Mühe, mußte jedoch mit „Nein“ antworten. Der Zettel ging aus einer Hand in die andere, vergeblich. Niemand vermochte ihn zu lesen. Die einzelnen Buchstaben waren ziemlich deutlich geschrieben; aber sie bildeten Wörter, welche mir und den anderen vollständig fremd und unverständlich waren.
    Ich buchstabierte die kürzesten dieser Wörter zusammen – sie hatten keinen Sinn. Da zeigte sich mein guter Halef als der Klügste von uns allen.
    „Effendi“, sagte er; „von wem wird der Zettel sein?“
    „Wohl jedenfalls von Hamd el Amasat.“
    „Nun, dieser Mann hat alle Ursache, das, was er schreibt, geheimzuhalten. Denkst du nicht, daß die Schrift eine geheime ist?“
    „Hm! Du kannst recht haben. Hamd el Amasat mußte den Umstand mitberechnen, daß der Zettel möglicherweise in falsche Hände gelangen konnte. Die Schrift ist nicht geheim; aber wie es scheint, ist die Zusammenstellung der Buchstaben eine ungewöhnliche. ‚Sa ila ni‘; das verstehe ich nicht. ‚Al‘, das ist ein Wort; ‚nach‘ aber ist kein orientalisches – ah, wenn man es umdreht, wird ‚Chan‘ daraus!“
    „Vielleicht ist auch alles verkehrt geschrieben!“ sagte Hulam. „Du hast ‚ila‘ gelesen. Umgedreht würde es ‚Ali‘ lauten.“
    „Richtig!“ antwortete ich. „Das ist ein Name und zugleich ein serbisches Wort, welches ‚aber‘ bedeutet. ‚Ni‘ heißt umgekehrt ‚in‘; das ist rumänisch und bedeutet ‚sehr‘.“
    „Lies einmal alle drei Zeilen von links nach rechts, anstatt von rechts nach links!“ sagte Isla.
    Ich tat es; aber es erforderte dennoch große Mühe, ehe es mir gelang, die Buchstaben
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