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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Autoren: Karl May
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erzählte, aufrichtig erwähnt, daß ich in der Börse mehr Geld gefunden habe, als erst darin gewesen war. Auf diesen Betrag war es abgesehen; der Kadi wollte ihn konfiszieren! Er erkundigte sich im freundlichsten, vertraulichsten Ton weiter:
    „Heute hatte er ihn in seiner Tasche?“
    „Ja. Ich habe ihn herausgenommen.“
    „Und es war mehr Geld darin als vorher?“
    „Es waren Goldstücke darin, welche ich nicht hineingetan habe. Das ist wahr.“
    „So wirst du wohl zugeben, daß sie nicht dir gehören!“
    „Ah! Wem sonst?“
    „Ihm natürlich, Effendi!“
    „Das will mir nicht einleuchten. Aus welchem Grund soll er sein Geld in meine Börse getan haben?“
    „Weil dein Beutel ihm besser gefallen hat, als der seinige. Kein Mensch aber darf das behalten, was ihm nicht gehört!“
    „Da hast du ganz recht. Aber meinst du denn, daß ich etwas behalten haben, was mir nicht gehört?“
    „Natürlich! Die Goldstücke, welche er hineingetan hat.“
    „Wallahi! Hast du nicht aus seinem eigenen Mund gehört, daß er leugnet, Geld in meinen Beutel getan zu haben?“
    „Es sind Lügen!“
    „Das muß bewiesen werden. Ich weiß nichts von dem Geld.“
    „Aber du sagst ja selbst, daß es sich vorher nicht in dem Beutel befunden habe!“
    „Das gestehe ich ein. Niemand kann es sagen, wie es hineingekommen ist; nun es sich aber darin befindet, ist es mein Eigentum.“
    „Das darf ich nicht zugeben. Die Obrigkeit muß es an sich nehmen, um es dem richtigen Eigentümer zurückzugeben.“
    „Sage mir vorher, wem das Wasser gehört, welches es über Nacht in deinen Hof regnet!“
    „Wozu die Frage?“
    „Holt die Obrigkeit das Wasser, um es dem richtigen Eigentümer zurückzugeben? Es hat über Nacht in meinen Beutel geregnet. Das Wasser gehört mir, denn der Einzige, welchem es außer mir gehören konnte, hat darauf verzichtet.“
    „Ich höre, daß du ein Franke bist, der die Gesetze dieses Landes nicht kennt.“
    „Das mag sein; aber darum befolge ich meine eigenen Gesetze. Kadi, das Geld behalte ich! Du bekommst es nicht!“
    Bei diesen Worten wendete ich mich von ihm ab, und er machte keinen Versuch, mich zu einer Änderung zu bewegen. Es war gar nicht meine Absicht, das Geld für mich zu verwenden; aber ich konnte damit größeren Nutzen schaffen, als wenn ich es in die bodenlose Tasche des Beamten gelangen ließ.
    Jetzt setzten wir uns in Bewegung, alle, die wir beteiligt waren. Die Khawassen erhielten den Befehl, uns von weitem zu folgen, damit ein allzugroßes Aufsehen vermieden werde.
    Wir erreichten die Ecke, an welcher wir gestern abend mit dem Mann zusammengetroffen waren. Auch Hulam erinnerte sich ihrer genau. Von hier an aber mußte ich allein als Führer dienen. Es wurde mir nicht schwer, das Haus zu finden. Die Tür war verschlossen. Wir klopften; aber es erschien kein Mensch, um uns zu öffnen.
    „Sie fürchten sich“, meinte der Kadi. „Sie haben uns kommen sehen und verstecken sich!“
    „Das glaube ich nicht“, antwortete ich. „Es wird mir einer dieser Leute, als ich mit Ali Manach durch die Straßen ritt, begegnet sein. Er hat gesehen, daß der Derwisch gefangen und daß der Anschlag verunglückt ist. Daher hat er die anderen sogleich benachrichtigt, und nun haben sie die Flucht ergriffen.“
    „So müssen wir mit Gewalt eindringen!“
    Jetzt blieben die Passanten stehen, um zu sehen, was sich hier ereignen würde. Der Kadi ließ sie durch seine Khawassen fortweisen, und dann wurde die Tür, welche keinen großen Widerstand bot, einfach eingestoßen.
    Ich erkannte den langen, schmalen Gang sogleich wieder. Die Polizisten hatten sich im Nu über alle vorhandenen Räume verteilt, vermochten aber nicht, ein menschliches Wesen aufzufinden. Verschiedene Anzeichen ließen darauf schließen, daß die Bewohner eine sehr eilige Flucht ergriffen hatten.
    Ich suchte auch den Raum auf, in welchem ich gelegen hatte. Als ich in den kleinen, engen Hof zurückkehrte, hatte der Kadi dort ein abermaliges Verhör mit Ali Manach begonnen. Dieser trat jetzt mit noch größerer Sicherheit auf, als vorher. Er mochte Angst gehabt haben, von den Bewohnern des Hauses verraten zu werden. Diese Angst war jetzt ebenso verschwunden, wie die Leute, welche hier zu finden wir erwartet hatten. Ich mußte meine Aussage wiederholen; ich mußte die Stelle zeigen, an welcher er neben mir gesessen hatte; ich zeigte auch diejenige, an welcher ich im Hof mich gegen die Übermacht der Angreifer gewehrt hatte.
    „Und du
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