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1349 - Chronik der Kartanin

Titel: 1349 - Chronik der Kartanin
Autoren: Unbekannt
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Lazarett. „He, Menschin!" rief die „Dicke Träne". „Du kannst ruhig mit Hand anlegen. Auch für dich geht es zurück nach Hubei. Wir brauchen hier keine Schmarotzer, die uns nur die Atemluft stehlen." Als Eirene der Aufforderung nachkommen und die Bahre mit der haarlosen Esper aufheben wollte, herrschte sie die Kommandantin an: „Nicht die Nackte. Esper brauchen keine Haare, um ihre Pflicht zu erfüllen. Das trifft auch auf die Krüppel zu. Nur die Toten und die Narren wollen wir loswerden."
    In Eirene krampfte sich etwas zusammen. Die haarlose Esperin forderte sie mit einer Kopfbewegung zum Gehen auf. Eirene hangelte sich an dem Deckenseil zum Ausgang. Dort nahm sie sich dreier aneinandergefesselter Kartanin an, die mit großen Augen über den geknebelten Mündern verstört um sich sahen. „Dieser Wahnsinn muß ein Ende nehmen!" sagte sie wie zu sich selbst, und zwei der psiphrenischen Esper nickten. Eirene nahm ihnen die Knebel ab. Kaum davon befreit, begannen die drei Kartanin wie auf Kommando zu schreien. Eirene beförderte sie mit einem Stoß durch das Schott in den Röhrenkorridor und ließ sie vor sich herschweben. Das Schreien und Stammeln in den Ohren, erreichte sie mit ihren Schützlingen schließlich den Auffangraum mit dem Verbindungsschlauch zur Fähre. „Raus mit euch!" Eine Kartanin beförderte die drei mit einem Tritt in den Schlauch, an dessen Ende sie von einer weiteren Kartanin in Empfang genommen wurden. Als Eirene ihnen folgen wollte, wurde sie aufgehalten. „Zuerst die Patienten und Helden", wurde ihr erklärt, wobei ihr völlig klar war, daß mit „Helden" nur die toten Esper gemeint sein konnten.
    Die Fähre war zum Bersten voll, als Eirene als letzte durch den Verbindungsschlauch ging. Die Toten waren im rückwärtigen Teil gestapelt und durch Gurte gesichert. Im vorderen Drittel hingen die psiphrenischen Esper entweder apathisch in den Gurtej| der Kontursessel, oder sie waren zu mehreren in an der Decke verankerten Netzen untergebracht. Eirene war dankbar, als man ihr den Platz des Funkers in der Pilotenkanzel zuwies. „Diese armen Närrinnen!" sagte der Pilot, es war derselbe, der die Fähre von Hubei zum 500.000 Kilometer entfernten Tränennetz geflogen hatte. „Es gibt Momente, da bin ich wirklich froh, ein päratauber Mann zu sein."
    Nachdem er die Fähre von der Verankerung gelöst hatte, zündete er die Antriebsdüsen mit solcher Heftigkeit, daß Eirene von den wuchtig einsetzenden Andruckkräften fast erdrückt wurde.
    Durch das seitliche Bullauge sah sie, wie die einen Kilometer große Gitterkonstruktion mit rasender Geschwindigkeit zusammenschrumpfte und schließlich als Lichtpunkt im Sternenmeer verschwand. Sie hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, sich einen genaueren Gesamteindruck des Tränennetzes zu verschaffen.
    Als der Andruck nachließ und sie im freien Fall auf Hubei zustrebten, drehte sie sich herum und öffnete das Schott zum Passagierraum einen Spaltbreit. Einige der Esper hatten sich von den Knebeln befreien können und erfüllten den Raum mit ihrem irrwitzigen Klagegesang. „Schließ das Schott - bitte", sagte der Pilot. Eirene gehorchte. Sie erinnerte sich daran, welche todesverachtende Hochstimmung geherrscht hatte, als die Esper zum Einsatzort geflogen waren, wie sie Scherze gemacht und Witze gerissen hatten. Und nun befand sie sich auf dem Rückflug, auf einer Fähre voller irrer und toter Esper, die keinen Spielraum mehr für Optimismus, trockenen Humor, Opferbereitschaft und Heldentum ließen. „So wird es allen ergehen", sagte der Pilot, als könne er Eirenes Gedanken lesen. „Die Ephemeriden werden sie alle holen, früher oder später. Ich schätze mich glücklich, ein Mann zu sein."
    „Es wird etwas geschehen, um dem Espersterben ein Ende zu machen", sagte Eirene, so fest sie konnte. „Gestattest du mir eine Frage?" sagte der Pilot und fügte entschuldigend hinzu: „Ich muß reden, um mich gegen den Wahnsinn in meinem Rükken zu schützen."
    „Nur zu", ermunterte ihn Eirene. „Stimmt es, daß du eine Fähigkeit besitzt, um die unsichtbaren Ephemeriden sehen zu können?"
    „Ja, ich kann sie sehen, wenn ich mich ins Psionische Netz einfädele", antwortete Eirene. „Aber das hat nichts mit einer etwaigen Parafähigkeit zu tun."
    „Wie auch immer, was siehst du, wenn du die Ephemeriden siehst?"
    Eirene überlegte, Sie fragte sich, ob das, was sie über die Ephemeriden zu berichten hätte, überhaupt für die Ohren des Piloten bestimmt
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