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1328 - Die Harmonie des Todes

Titel: 1328 - Die Harmonie des Todes
Autoren: Unbekannt
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Welchen Gesang wünschst du vorzutragen?"
    Dies war die Sekunde, die Salaam Siin ein wenig fürchtete. Das Kollegium war berechtigt, einen unangemessenen Vorschlag zurückzuweisen. Zwar hatte er noch von keinem derartigen Fall gehört, aber wissen konnte man nie ...
    „Ich ... ich wähle den Gesang der Heraldischen Tore von Siom Som."
    Nun war es heraus.
    „Das ist ungewöhnlich, Prüfling. Sehr ungewöhnlich."
    Ein zweiter Prüfer sang: „Noch nie hatten wir auf Zaatur einen solchen Fall. Selbst auf Mardakaan liegt es Jahrhunderte zurück, daß ein Prüfling von so geringem Alter eine solch schwierige Aufgabe wählte."
    Und ein dritter: „Wir gewähren dir Bedenkzeit. Noch kannst du widerrufen, Salaam Siin..."
    „Nein", antwortete Salaam Siin, nun vollkommen sicher, „ich will es genauso, wie ich gesagt habe."
    „Dann sei es!" antwortete der Chor. „Der Gesang der Heraldischen Tore."
    Und Salaam Siin begann zu singen. Er kannte jede Note des polyphonen Satzgesangs, jeden Akkord und all die Kadenzen, die eine Variation des Hauptthemas einleiteten. Aber damit war es nicht getan. Er nutzte die gesamte Bandbreite seiner Membranen, um daraus eine Tonfülle hervorzulocken, wie sie ansonsten nur ein hochwertiger Synthesizer erzeugen konnte. Für einen Ophaler war Musik kein totes Ding, das es auf Punkt und Komma zu reproduzieren galt - im Gegenteil, ein Sänger hatte die Aufgabe, aus all dem eine lebendige, emotional ansprechende Darbietung zu machen. Akustik und Psionik sollten eine möglichst wirksame Einheit bilden.
    Genau das strebte Salaam Siin an. Der Gesang der Heraldischen Tore von Siom Som erzählte von den Zeiten, als es die große Kalmenzone im Zentrum der Galaxis noch nicht gegeben hatte. Er diente dem Andenken des Ewigen Kriegers Ijarkor, dem das estartische Wunder in Form eines Transmitternetzes zu verdanken war.
    Während Salaam Siin sang, glaubte er an den Inhalt seiner Melodie. Er hatte keine andere Wahl, denn in seinem Alter war ein zweifelnder Sänger ein schlechter Sänger. Erst später lernten die Ophaler, ihr Talent in dieser Hinsicht besser unter Kontrolle zu bringen.
    Normalerweise ließ ihn die Philosophie des Permanenten Konflikts kaum in Euphorie verfallen; manchmal fühlte er sich sogar eher abgestoßen... Aber er hatte noch viel zu lernen.
    Nach einer halben Stunde näherte sich der Gesang dem Ende. Salaam Siin hatte jeden einzelnen Ton hervorgebracht, wie geplant und einstudiert. In den Mienen der Lehrer zeigte sich nichts als Hochachtung.
    Zuletzt allerdings, als er im Fortissimo die letzten Akkorde sang, mischte sich eine schmerzhafte Intensität in seine Stimme. Salaam Siin wurde von dieser überraschenden Entwicklung beinahe mitgerissen. Gerade rechtzeitig mäßigte er sich und nahm der Intensität die Spitze. Nicht, daß er falsch gesungen hätte - oh nein. Trotzdem hatte er einen Fehler begangen, dessen Auswirkungen er derzeit nicht abzusehen imstande war.
    Die letzten Töne brachte er nur mehr routinemäßig hervor. Dann stand er schweigend da und erwartete das Urteil der Lehrer. Erst jetzt bemerkte er die Mattigkeit in jeder Faser seines Körpers, und er spürte, daß jene unkontrollierte Intensität daran schuld war.
    „Es gibt noch viel zu lernen für dich, Salaam Siin", sang einer der Lehrer erschüttert in die Stille. „Aber niemand hätte gedacht, daß du vollbringen könntest, was du soeben vollbracht hast. Wir erteilen dir Erlaubnis, die weiteren Schritte an unserer Schule des Gesangs in Angriff zu nehmen."
    Das war alles. Salaam Siin schlich wie betäubt hinaus, wo ihn sein Erzeuger mit Leichenbittermiene in Empfang nahm.
    „Du darfst dir nichts daraus machen", sang der erwachsene Ophaler. „Im nächsten Jahr..."
    Salaam Siin lachte endlich triumphierend auf. „Im nächsten Jahr? Aber nein! Ich habe es geschafft! Ich bin der erste, der dies vollbracht hat!"
     
    2. Sänger
     
    Salaam Siin wurde außerdem der jüngste Kolonialophaler, der je einen Ruf nach Mardakaan erhielt. An Standardjahren gemessen, betrug sein Alter zu diesem Zeitpunkt ungefähr 38, nach Mardakaan-Jahren zählte er ziemlich genau dreieinhalb.
    Für einen Ophaler stellte Mardakaan das Zentrum aller Dinge dar. Dort, auf dem öden Wüstenplaneten, der in der Eastside von Siom Som gelegen war und um die rote Riesensonne D'haan kreiste, fand seit Jahrtausenden das Spiel des Lebens statt. Wer hier imstande war, sich durchzusetzen, hatte einen Platz im Troß des Kriegers Ijarkor fast sicher. Aber noch
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