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1328 - Die Harmonie des Todes

Titel: 1328 - Die Harmonie des Todes
Autoren: Unbekannt
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ich selbst in deinem Alter war, habe ich mich gefürchtet. Ja, und ich glaube, daß es in dir ähnlich aussieht. Aber das ist falsch, mein Sohn - Furcht beeinträchtigt die Seele und verkrampft die Atemwege."
    „Ich fürchte mich nicht", log Salaam Siin.
    Sein Erzeuger schaute ihn von der Seite an. Die borkenartige rote Haut schien sekundenlang von einem blassen Schleier überzogen.
    „Du mußt wissen, mein Sohn: Als ich soweit war wie du, habe ich mich für den Gesang der Spiele von Mardakaan entschieden. Eine wirkungsvolle Melodie, die deine Membranen nicht überfordert, und eine sichere Sache. Ich rate dir, dasselbe zu tun."
    „Das ... das geht nicht", erwiderte Salaam Siin.
    Ihm wurde heiß. Er hatte nicht erwartet, daß sein Erzeuger so kurz vor der Prüfung ausgerechnet dieses Thema anschneiden würde. Die Auswahl der Prüfungsmelodie oblag ganz allein dem Prüfling selbst.
    „Weshalb nicht?" wollte sein Erzeuger erstaunt wissen. „Du kannst mir glauben, es ist wirklich eine sichere Sache. Du hast schon ganz andere Aufgaben gemeistert, den Gesang der Kodexwahrer, suggestive Wahrheitsgesänge..."
    „Das ist es nicht!" unterbrach Salaam Siin, und das zittrige Vibrieren seiner Sinnesknospen demonstrierte, welch ein Maß an Unruhe doch in ihm war. „Ich habe mich anders entschieden ... Ich trage den Gesang der Heraldischen Tore von Siom Som vor!"
    Nun war es heraus, obwohl er vorher nichts davon hatte sagen wollen.
    Sein Erzeuger schaute nur ungläubig. „Der Gesang der Heraldischen Tore ... Eine Aufgabe für einen Sänger, nicht für einen Schüler! Für ein Kind zumal! Salaam Siin, ich fürchte, du handelst unüberlegt. Ja, sehr unüberlegt ... Dies ist keine einfache Übung, sondern deine erste Prüfung. Verscherze nicht alles, was du so mühsam erlernen mußtest!"
    „Ich kann es schaffen."
    Fast trotzig kam das, in kaum tremolierenden, unmodulierten Tönen.
    „Denkst du wirklich, Salaam Siin?"
    Er wußte, daß sein Erzeuger ihm die Wahl der Prüfungsmelodie nicht vorschreiben durfte. Für den Rest der Fahrt herrschte wieder Stille im Gleiter, und Salaam Siin merkte seinem Erzeuger die Sorge fast körperlich an. Außerdem schwang eine gute Portion Hoffnungslosigkeit mit, der er sich nur mühevoll zu entziehen vermochte.
    War er denn nicht ganz sicher, daß er es schaffen konnte? Wie viele Mardakaan-Tage hatte er verborgen in einer Kammer des Haushalts geübt, hatte immer wieder den Gesang der Heraldischen Tore angehört und bis in die feinsten psionischen Nuancen studiert... Er wußte es nicht mehr. Manches Mal war sein Knorpelwulst, der am Halsansatz die Membranen barg, vor Anstrengung geschwollen gewesen. Er hatte dann Übelkeit vorschützen müssen, damit niemand Verdacht schöpfte.
    Natürlich - er würde der erste Prüfling in der Geschichte der lokalen Schule sein, der den Gesang der Heraldischen Tore als erste Aufgabe meisterte. Niemand zuvor hatte es gewagt, im Alter von eineinhalb Mardakaan-Jahren diese Aufgabe. auch nur anzugehen.
    Aber er war nicht irgend jemand ... Er war Salaam Siin, und eines Tages würde er zum Leiter einer Singschule aufsteigen. Dies war ebenso sicher wie der nächste Sonnenaufgang.
     
    *
     
    Sein Heimatplanet Zaatur war eine kleine, unbedeutende Siedlerwelt, auf der man bis heute die Zeitrechnung des Mutterplaneten Mardakaan beibehalten hatte. Ihre Sonne nannten die Kolonialophaler Asuk. Sie stand ganz am Rand des ophalischen Sternenreichs, das ungefähr 250 Lichtjahre durchmaß und seinerseits am Rand der Galaxis Siom Som lag.
    Und auf diesem unbedeutenden, kleinen Planeten nun stand weitab von den wenigen Metropolen das Gebäude, in dessen Mauern Salaam Siins erste Prüfung stattfinden sollte.
    Er war sich seiner Bedeutungslosigkeit in diesem großen Rahmen wohl bewußt. Aber gerade das Bewußtsein half ihm, sein bevorstehendes Problem in den rechten Rahmen zu rücken. Er sah die Prüfung endlich als das, was sie auch war - als eine von vielen nämlich.
    Das Gebäude war eine farblose Kuppel aus Glassitbeton, die nur wenig Licht reflektierte. Salaam Siin verließ gemeinsam mit seinem Erzeuger den Gleiter. Sekunden später betraten sie den Eingangskorridor, der geradewegs in die Vorbereitungsräume führte.
    „Ich wünsche dir Glück, Salaam Siin!" sang der erwachsene Ophaler mit schwermütigem Unterton. „Viel Glück..."
    Er hörte nicht mehr hin. Es war zu spät, den Bedenken seines Erzeugers jetzt noch Aufmerksamkeit zu schenken. Fast beiläufig wehrte er die
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