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1311 - Die Teufelszunge

1311 - Die Teufelszunge

Titel: 1311 - Die Teufelszunge
Autoren: Jason Dark
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wieder stand und schlug dann vor, einen kleinen Spaziergang zu machen.
    »Warum?«
    »Weil dir die frische Luft gut tun wird.«
    »Ich weiß nicht…«
    »Aber du bist doch sonst immer dafür.«
    »Ja, sonst«, flüsterte er, »jetzt aber muss ich immer an sie denken. Sie heißt Marisa.«
    Charlotte lächelte. »Denkst du deshalb so oft an sie, weil sie sich dir nackt gezeigt hat?«
    »Nein, das ist es nicht, obwohl sie einen wunderschönen Körper hatte. Eine ungewöhnliche Haut. Sie war so edel. So porzellanhaft. Fast wie eine kleine Kostbarkeit.«
    »Jetzt ist es aber gut, Walter.«
    »Sorry, aber so meine ich das nicht. Nicht sexuell. Das hast du falsch verstanden. Du hättest sie wirklich sehen müssen. Ich habe sie einfach nur angestaunt.« Er musste lachen und schüttelte den Kopf. »Ich habe wieder an meine Kindheit gedacht, als ich noch ein kleiner Junge war. Da habe ich oft in Sagen- und Märchenbüchern geblättert und später auch gelesen. Ich las Geschichten über Elfen und Nixen. Sie haben mich fasziniert, und auch die Illustrationen in den Büchern. Jetzt erinnere ich mich wieder. Diese Marisa hat so ausgesehen wie die Elfen oder Zauberwesen in den Märchenbüchern.«
    »Waren die auch nackt?«
    »Unsinn.«
    »Aber sie war es jetzt.«
    »Ja, ja, Charlotte. Aber reite doch bitte nicht immer wieder darauf herum. Das ist zweitrangig für mich, versteh das doch. Ich habe das nur am Rande miterlebt. Viel wichtiger ist mir ihr Verhalten gewesen. Sie war plötzlich da und ist dann verschwunden. Einfach so, verstehst du? Verschwunden auf der Treppe. Aufgelöst. Aber du kannst sagen, was du willst, ich bin sicher, dass ich sie wiedersehen werde. Davon gehe ich aus.«
    »Hat sie das gesagt?«
    »Nicht direkt. Sie hat davon gesprochen, dass ich unsere oder ihre Musik spielen soll.«
    Charlotte Shols schaute skeptisch und verzog dabei ihre Lippen.
    »Was ist denn ihre Musik?«
    »Das weiß ich nicht.« Seine Stimme klang leicht verzweifelt.
    »Hast du dich denn entschieden?«
    »Wie meinst du?«
    »Für irgendeine Musik?«
    Er räusperte sich. »Ja, das habe ich, Charlotte. Ich werde bei meinem Programm bleiben. Ich spiele das, was ich mir vorgenommen habe. Konzertante Musik und auch volkstümliche. So werde ich jedem Geschmack gerecht, denke ich.«
    »Also dein volles Programm?«
    »Ja.«
    Charlotte runzelte die Stirn. »Das sie aber ungern akzeptiert, wie sie dir sagte.«
    »Stimmt«, gab er zu. »Das hat sie mir gesagt. Aber ich lasse mich nicht beirren.« Er stand mit einer ruckartigen Bewegung auf und ging in dem kleinen Zimmer mit dem Erker hin und her. Vor dem bis zum Boden reichenden Fenster blieb Walter stehen. Er schaute in den Garten hinein, in dem schon einige Frühlingsblumen blühten. Er liebte den Garten und seine Umgebung. Er mochte die vier Jahreszeiten. Er führte ein wunderbares Leben. Die Musik, die Ehefrau, die Tage der Sonne, aber auch die Winter- und die Weihnachtszeit, das alles war sein Leben. Es gehörte einfach dazu. Und plötzlich erschien irgendeine Person, die alles kaputtmachen wollte.
    Das konnte er nicht akzeptieren. Das wollte er auch nicht. Er ließ sich von seinem Weg nicht abbringen.
    Charlotte war eine kluge Frau. Sie wusste genau, wann sie zu schweigen hatte, und das tat sie jetzt. Als sie sah, wie die rechte Hand ihres Mannes in die Hosentasche glitt, begann sie zu lächeln.
    Sie wusste genau, was er dort suchte.
    Und sie hatte sich nicht getäuscht, denn ihr Mann holte dort seinen Talisman hervor.
    Es war ein Mundstück!
    Das Mundstück überhaupt! Der Gegenstand, den er nie aus den Augen ließ und nur recht selten von seinem Körper entfernte. Es hatte ihm Glück gebracht. Er hatte sein erstes Lied darauf gespielt.
    Seine erste Komposition. Er war ein Künstler auf seiner Trompete.
    Er war einmalig in diesem Geschäft, und nicht ohne Grund hatte man ihm den Namen Teufelszunge gegeben, der mit dem Teufel oder der Hölle nichts zu tun hatte. Es war einfach nur ein Vergleich gewesen, denn er spielte wie der Teufel, das hatten selbst Kollegen von ihm behauptet.
    Charlotte ließ ihren Gatten nicht aus dem Blick. Sie bemerkte auch die Veränderung in seinem Gesicht. Seine Augen bekamen wieder den alten Glanz zurück. Auf dem sonnengebräunten Gesicht erschien ein Lächeln.
    »Nun?«, fragte sie leise.
    Walter Shols schaute sich sein Mundstück an, bevor er die Antwort gab. »Ich habe mich entschlossen, Charlotte. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde bei meiner Musik bleiben, das
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