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1311 - Die Teufelszunge

1311 - Die Teufelszunge

Titel: 1311 - Die Teufelszunge
Autoren: Jason Dark
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blickte mir von oben her ins Gesicht. »Oder willst du nicht gehen, weil ich dabei bin?«
    Diese Worte verschlugen mir die Sprache. Ich musste regelrecht nach Luft schnappen. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Hat sich fast so angehört.«
    »Nein, nein, was denkst du? Okay, ich… ich freue mich sogar, wenn du mitkommst.«
    »Ha!«, rief sie und richtete sich hastig auf. Dann deutete sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf mich. »Ihr habt es gehört. Er wird mit uns gehen.«
    »Moment, das habe ich nicht…«
    Ich sprach nicht mehr weiter und winkte ab. Es hatte sowieso keinen Sinn, wenn ich weiterhin versuchte, mich dagegen zu wehren.
    »Gehst du nun mit uns oder nicht?«, fragte Bill. Ziemlich theatralisch meinte er: »Entscheide dich jetzt!«
    Ich nickte.
    »Du stimmst zu?«
    »Ja, um Himmels willen…«
    ***
    Der Trompeter saugte seinen Atem an. Er zwinkerte. Er schüttelte auch den Kopf. Er kniff sich in den linken Oberschenkel, doch das Bild vor der Tür verschwand nicht. Er hatte es sich nicht eingebildet. Er sah dieses Mädchen, diese junge Frau oder dieses Wesen als eine reale Person. Das war kein Spuk.
    Er lag auf einer Liege und war nicht in der Lage, sich zu erheben.
    Sein Atem ging keuchend.
    Eine wunderschöne junge Frau. In gewisser Hinsicht elfenhaft schön. Ein blasses Gesicht, ein ebenfalls blasser Körper, der von keinem Kleidungsstück bedeckt wurde.
    Trotzdem kam ihm dieses Mädchen nicht nackt vor. Es war keine provozierende Nacktheit, mit der es sich präsentierte. Sie war irgendwie verschämt und verschüchtert, und ihre gespreizten Hände hatte sie vor ihre Brüste gelegt.
    Walters Blick wanderte zu ihrem Gesicht hin, dessen Züge sehr fein geschnitten waren. Auch hier dominierte die blasse Haut, die im krassen Gegensatz zu den roten Lippen stand, die den gleichen Farbton hatten wie die Haare. Der Mittelscheitel teilte sie in zwei Hälften. Lang senkte sich die rötliche Flut bis zu den nackten Schultern hin, und die letzten Strähnen erreichten noch die Ansätze ihrer Brüste.
    Die Augen lagen nicht eben tief in den Höhlen. Durch ein dunkles Make-up sah es allerdings so aus, als hätten sie sich zurückgezogen, und deshalb war dieser etwas unheimliche Ausdruck entstanden. Oder traurige. Vielleicht auch verlorene.
    Shols wusste das nicht so genau. Er konnte überhaupt nicht reden, weil ihn diese Person einfach nur faszinierte. Sie war für ihn ein Lebewesen, zugleich auch ein ätherisches Gebilde von einer elfenhaften Schönheit, und sie schien nicht von dieser Welt zu sein, sondern aus einem fernen Märchenland zu stammen.
    Walter Shols atmete tief ein. Das musste er tun. Er wollte feststellen, ob er noch lebte. Er freute sich darüber, dass er seinen Herzschlag spürte und sich auch wieder normal bewegen konnte. Die junge Frau ließ er nicht aus den Augen, und er stellte fest, dass hinter ihr die Tür des Zimmers verschlossen war.
    Wie war sie dann hereingekommen?
    Er wollte sie fragen, aber seine Stimme versagte. Er bemerkte, dass sie ihm nicht feindlich gesonnen war, denn auf ihren rötlich geschminkten Lippen erschien ein Lächeln.
    Plötzlich sprach sie. Es war die gleiche Stimme, die er schon mal gehört hatte, nur wurde er von ihr direkt angesprochen.
    »Hallo… du bist wach, das ist gut. Ich möchte dir nur sagen, dass wir uns wiedersehen werden. Spiele heute Abend unsere Melodie. Öffne damit die Tore. Tu es für uns, für dich, für viele andere …«
    »B… bitte?«
    »Lass uns hineingleiten in diese wunderbaren Welten. In die anderen Reiche. Sei zufrieden. Spiele. Mach deinem Namen alle Ehren, Teufelszunge«
    Sie ließ die Worte ausklingen und drehte sich langsam um.
    Jetzt fiel auch der letzte Rest der Starre von ihm ab. »Bitte – wie heißt du?«
    Er hatte nicht damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen. Sie gab ihm trotzdem eine. »Ich heiße Marisa… nur Marisa …«
    Es reichte ihr aus. Kein weiteres Wort mehr drang über ihre Lippen. Dafür öffnete sie die Tür, die lautlos nach innen schwang.
    Sie benötigte nicht sehr viel Platz, um nach draußen zu gehen. Sie schob ihren schmalen, nackten Körper durch den Spalt, erreichte den kleinen Vorflur vor der Treppe und ging die Stufen hinab.
    Shols hatte sich auf seiner Liege aufgerichtet. Er starrte ihr nach.
    Er wollte ihr auch nachlaufen, aber das war nicht möglich, denn ihn hielt ein bestimmtes Ereignis fest, das er nicht begriff.
    Marisa hatte die Treppe erreicht. Sie ging auch die erste Stufe, danach die zweite
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