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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist
Autoren: Elizabeth George
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Stunde damit, durch die Straßen zu fahren und darauf zu warten, dass irgendjemand einen Parkplatz frei machte, und das zu einer Tageszeit, da die meisten Menschen schon zu Hause waren und nicht mehr wegfuhren. Zu guter Letzt fand sie eine Lücke auf der Winchester Road, schon fast in South Hampstead, und sie parkte dankbar ein, obwohl sie ein langer Fußmarsch erwartete, sobald sie das Auto abgeschlossen und sich auf den Weg zu den Eton Villas gemacht hatte.
    Unterwegs bemerkte sie, was ihr alles wehtat. Von den Beinen bis zum Hais hatte sie Muskelschmerzen, aber am schlimmsten waren die Schultern. Der Aufprall mit dem Bentley war wohl heftiger gewesen, als sie zu dem Zeitpunkt gedacht hatte. Robbie Kilfoyle mit einer Bratpfanne niederzuschlagen, das hatte auch nicht gerade geholfen. Wäre sie eine andere Frau gewesen, hätte sie vermutlich beschlossen, dass eine schöne Massage angezeigt sei. Dampfbad, Sauna, Whirlpool, das ganze Programm. Vielleicht noch eine Maniküre und Pediküre dazu. Aber so eine Frau war sie nun einmal nicht. Sie sagte sich, eine Dusche werde reichen. Und eine Nacht anständigen Schlafs, denn sie war seit siebenunddreißig Stunden auf den Beinen.
    Darauf konzentrierte sie sich. Während sie Richtung Fellows Road lief, richtete sie ihre Gedanken auf Dusche und Bett. Sie beschloss, nicht mal das Licht einzuschalten, damit nichts sie von ihrer geplanten Runde durch den Bungalow ablenken konnte, die auf direktem Weg zum Esstisch führen sollte (zum Ablegen ihrer Sachen), vom Esstisch ins Bad (Dusche aufdrehen, ausziehen und Klamotten auf den Boden werfen, Wasser auf schmerzende Muskeln trommeln lassen), vom Bad ins Bett (in Morpheus' Umarmung). Das ermöglichte ihr, nicht an das zu denken, woran sie nicht denken wollte: dass er es ihr nicht erzählt hatte, dass sie es von John Stewart hatte erfahren müssen.
    Sie rief sich zur Räson wegen der Gefühle, die ihr diese Gedanken verursachten, nämlich abgeschnitten zu sein und in den leeren Raum zu driften. Sie sagte sich, dass sein Privatleben sie, verdammt noch mal, gar nichts anging, und führte sich vor Augen, dass sein Schmerz unerträglich war, und darüber zu sprechen - zu gestehen, dass er den Dingen ein Ende gemacht hatte und damit auch dem Leben, wie er es gekannt hatte, der Zukunft für sich selbst, für Helen und für sie als kleine Familie -, das hätte ihm wahrscheinlich den Rest gegeben. Aber alles, was sie mit ihren Vorhaltungen gegen sich selbst erreichte, war eine dünne Patina aus Schuldgefühlen, die sich über ihre anderen Gefühle legte. Und alles, was diese Schuldgefühle bewirkten, war, vorübergehend das Kind in ihr zum Schweigen zu bringen, das beharrte: Wir sind doch Freunde. Freunde vertrauen einander alles an, alles Wichtige. Freunde stützen sich aufeinander, weil sie eben Freunde sind.
    Doch die Neuigkeiten waren über Dorothea Harriman in die Einsatzzentrale gelangt. Dee hatte John Stewart um eine kurze Unterredung gebeten, der daraufhin mit ernster Miene die anderen informiert hatte. Niemand wisse bislang etwas über die Pläne für die Beerdigung, sagte er abschließend, aber er werde sie auf dem Laufenden halten. »Unterdessen, Herrschaften, machen Sie weiter. Es gibt Berichte für die Staatsanwaltschaft zu schreiben, und zwar an mehr als einer Front, also schlage ich vor, Sie schreiben sie, denn ich will diese Geschichte auf eine Art und Weise vorgetragen wissen, die keinen Zweifel daran lässt, zu welchem Urteil die Geschworenen kommen sollen.«
    Barbara hatte dagesessen und zugehört. Und sie konnte sich nicht davon abhalten, zu denken, dass sie von Hilliers Büro bis zur Harrow Road zusammen gewesen waren, und dann von der Harrow Road bis nach Eaton Terrace, und dass Lynley ihr nicht gesagt hatte, er habe die Lebenserhaltungssysteme seiner Frau ausgeschaltet. Sie wusste, es war nicht das, was sie denken sollte. Sie wusste, seine Entscheidung, diese Information für sich zu behalten, hatte nichts mit ihr zu tun. Und doch spürte sie einen neuen Kummer über sich hereinbrechen. Das Kind in ihr beharrte: Wir sind doch Freunde.
    Dass sie das nicht waren und letzten Endes auch niemals sein konnten, lag nicht daran, was sie waren - Mann, Frau, Kollegen -, sondern daran, was sie unter der Oberfläche all dessen waren. Und das war entschieden und definiert worden, ehe einer von ihnen beiden auch nur das Licht der Welt erblickt hatte. Sie konnte dagegen rebellieren, bis der Himmel einstürzte, aber sie konnte es nicht
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