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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist
Autoren: Elizabeth George
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zu, dass Sie gut mit ihm auskommen«, riet Lynley. »Ich will nicht, dass Sie in Zukunft hier Feinde haben.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er konnte sehen, was sie fürchtete, und wünschte, er könnte ihr sagen, die Dinge lägen anders.
    Als sie im Polizeirevier an der Harrow Road ankamen, sagte Lynley ihr, was er wollte. Sie lauschte, nickte, und in einem Akt der Freundschaft, den er dankbar akzeptierte, versuchte sie nicht, es ihm auszureden. Nachdem ein paar Strippen gezogen und Arrangements getroffen worden waren, holte sie ihn. Genau wie im Tower Block an der Victoria Street ging sie auch jetzt neben ihm, die Hand leicht auf seinen Arm gelegt.
    »Hier ist es, Sir«, sagte sie und öffnete die Tür zu einem schwach erleuchteten Raum. Dahinter, jenseits eines Einwegspiegels, saß Helens Mörder. Sie hatten ihm eine Plastikflasche mit Saft gegeben, aber er hatte sie nicht geöffnet. Er hatte die Hände darum gelegt und ließ die Schultern hängen.
    Lynley spürte die Luft aus seinen Lungen weichen. Alles, was er sagen konnte, war: »Jung. So jung. Lieber Gott im Himmel.«
    »Er ist zwölf Jahre alt, Sir.«
    »Warum?«
    Es gab keine Antwort, und er wusste, sie verstand, dass er auch keine erwartete. »Was ist nur aus uns geworden, Barbara?«, fragte er. »Was, um Himmels willen?«
    Und er wusste auch dieses Mal, dass sie verstand, dass er keine Antwort wollte.
    Aber sie fragte: »Darf ich Sie jetzt nach Hause bringen?«
    »Ja«, antwortete er. »Sie können mich nach Hause bringen.«
    Es war später Nachmittag, als er zur Cheyne Row fuhr. Deborah kam an die Tür. Wortlos hielt sie sie auf, damit er eintreten konnte. Sie sahen sich an - ein ehemaliges Liebespaar -, und Deborah studierte sein Gesicht, bevor sie anscheinend entschlossen die Schultern straffte und sagte: »Komm hier herein, Tommy. Simon ist nicht zu Hause.«
    Er sagte ihr nicht, dass er zu ihr, nicht zu seinem Freund gekommen war, da sie es ohnehin zu wissen schien. Sie führte ihn ins Esszimmer, wo sie das Geschenk für Helen eingepackt hatte. Auf dem Tisch lagen die Taufkleider, die Deborah und Helen gekauft hatten, ordentlich zusammengefaltet auf ihren Tragetaschen. Deborah sagte: »Ich dachte, du willst sie vielleicht sehen, bevor ich ... Na ja, bevor ich sie in die Geschäfte zurückbringe. Ich weiß nicht, wieso ich das gedacht habe. Aber weil es das Letzte war, was sie getan hat ... Ich hoffe, es war richtig.«
    Die Einkäufe waren allesamt typisch für Helen: Mit jedem der Kleidungsstücke hatte sie, auf ihre unnachahmliche, witzige Art, bekundet, was wichtig im Leben war und was nicht. Da lag der winzige Smoking, von dem sie gesprochen hatte, ein Miniaturclownskostüm, daneben eine Latzhose aus weißem Samt, ein unglaublich klitzekleiner dreiteiliger Anzug, ein gleichermaßen kleiner Strampler in Form eines Hasenkostüms ... Die Sammlung war für alles geeignet, nur nicht für eine Taufe, aber genau das war ja Helens Absicht gewesen. Wir beginnen unsere eigene Tradition, Darling. Keine unserer subtil streitenden Familien kann darüber beleidigt sein.
    »Ich konnte nicht zulassen, dass sie das taten, was sie tun wollten«, sagte Lynley. »Ich konnte dem einfach nicht ins Auge sehen. Sie war ein Forschungsobjekt für die Ärzte geworden. Ein paar Monate mit den Lebenserhaltungssystemen, Sir, und dann sehen wir, wie die Dinge sich entwickeln. Es könnte schlimm sein, es könnte schlimmer sein, aber auf jeden Fall werden wir die medizinische Entwicklung vorangebracht haben. Das wird ein Fall für die Fachzeitschriften. Man wird Bücher darüber schreiben.« Er sah Deborah an. Ihre Augen waren feucht, aber sie ersparte ihm ihre Tränen. »Ich konnte ihr das nicht antun, Deborah«, fuhr er fort. »Ich konnte nicht. Also habe ich die Maschinen abgeschaltet. Ich habe sie abgeschaltet.«
    »Gestern Abend?«
    »Ja.«
    »O Tommy.«
    »Ich weiß nicht, wie ich mit mir weiterleben soll.«
    »Ohne Schuldgefühle«, antwortete sie. »So musst du weiterleben.«
    »Du auch«, erwiderte er. »Versprich mir das.«
    »Was?«
    »Dass du auch nicht einen Moment mit dem Gedanken lebst, dass es deine Schuld war, dass du etwas hättest tun können, um es abzuwenden oder zu verhindern, was auch immer. Du hast den Wagen geparkt. Das war alles. Du hast geparkt. Ich will, dass du es so siehst, denn das ist die Wahrheit. Wirst du das für mich tun?«
    »Ich werde es versuchen«, sagte sie.
    Als Barbara Havers an diesem Abend nach Hause kam, verbrachte sie eine halbe
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