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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Autoren: Karl May
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und gehört, viel gefühlt und gedacht, vieleicht auch gar manches gelesen haben. Was sollte ich ihr antworten?
    „Marah Durimeh, tadelst du auch mich?“ fragte ich sie.
    „Dich? Warum meinst du das?“
    „Weil ich auch ein Bote bin.“
    „Du! Wer hat dich gesandt?“
    „Niemand. Ich komme selbst.“
    „Um zu lehren?“
    „Nein, und doch auch ja.“
    „Ich versteh dich nicht, mein Sohn. Erkläre es!“
    „Du selbst hast gesagt, daß du Boten der Tat wünschest, aber der Tat, die nicht im Meer verlischt. Gott teilt die Gaben nach seiner Weisheit aus. Dem einen gibt er die erobernde Rede und dem andern befiehlt er, zu wirken, bevor die Zeit kommt, da er nicht mehr wirken kann. Mir ist die Gabe der Rede versagt, aber ich muß wuchern mit dem Pfunde, das Gott mir verliehen hat. Darum läßt es mich in der Heimat nimmer ruhen; ich muß immer wieder hinaus, um zu lehren und zu predigen, nicht durch das Wort, sondern dadurch, daß ich jedem Bruder, bei dem ich einkehre, nützlich bin. Ich war in Ländern und bei Völkern, deren Namen du nicht kennst; ich bin eingekehrt bei weiß, gelb, braun und schwarz gefärbten Menschen; ich war der Gast von Christen, Juden, Moslemin und Heiden; bei ihnen allen habe ich Liebe und Barmherzigkeit gesät. Ich ging wieder fort und war reich belohnt, wenn es hinter mir erklang: ‚Dieser Fremdling kannte keine Furcht; er konnte und wußte mehr als wir und war doch unser Bruder; er ehrte unseren Gott und liebte uns; wie werden ihn nie vergessen, denn er war ein guter Mensch, ein wackerer Gefährte; er war – – – ein Christ!‘ Auf diese Weise verkündige ich meinen Glauben. Und sollte ich auch nur einen einzigen Menschen finden, der diesen Glauben achten und vielleicht gar dann lieben lernt, so ist mein Tagwerk nicht umsonst getan, und ich will irgendwo auf dieser Erde mich von meiner Wanderung gern zu Ruhe legen.“
    Es entstand eine lange, lange Pause. Wir beide blickten wortlos zur Erde nieder; dann ergriff sie langsam mit beiden Händen meine Rechte.
    „Herr“, sagte sie, „ich liebe dich!“
    Dabei sahen mich die alten Augen so mütterlich innig an, daß ich's nie vergessen werde!
    „Mein Sohn“, sagte sie, „wenn du dieses Tal verlassen hast, so wird mein Auge dich nie wiedersehen, aber Marah Durimeh wird für dich beten und dich segnen, bis dieses Auge geschlossen ist. Du sollst auch der einzige sein, der außer den dreien, die um Mitternacht beim Ruh 'i kulyan waren, mein Geheimnis erfährt. Willst du?“
    „Wenn Schweigen besser ist, so verzichte ich darauf; doch willst du es mir wirklich und gewiß anvertrauen, so nimm meinen Dank dafür.“
    „Diese drei haben geschworen, nie ein Wort davon zu sagen – – –“
    „Auch ich werde nie darüber sprechen.“
    „Zu keinem Menschen?“
    „Zu niemand!“
    „So sollst du alles hören.“
    Und nun erzählte sie. Es war eine Geschichte, die als Sujet einen Autor berühmt machen könnte, eine lange Geschichte aus jener Zeit, in der die drei Teufel Abdel-Summit-Bey, Beder-Khan-Bey und Nur-Ullah-Bey das Christentum im Tal des Zab ausrotteten, eine Geschichte, die mir die Haare sträuben machten. Es dauerte lange, ehe sie beendet war, und dann saß die Alte noch geraume Zeit in tiefem Schweigen neben mir. Nur ein leises Schluchzen unterbrach dann und wann die Stille, und die knöcherne Hand langte nach den Augen, um die immerfort rinnenden Tränen zu trocknen. Dann legte sie ermüdet und ganz von selbst ihr Haupt an meine Schulter und bat mit leiser Stimme:
    „Geh jetzt! Ich wollte hinab nach Lizan gehen; aber ich steige nochmals zurück, um zu warten, bis mein Herz wieder ruhig schlägt. Am Abend komme ich zu euch.“
    Ich achtete diesen Wunsch und ging.
    Als ich in Lizan anlangte, sah ich keine Kurden mehr; aber der Bey hatte auf mich gewartet.
    „Emir“, sagte er, „meine Leute sind fort, und auch ich scheide von hier; aber ich erwarte, daß du zurück nach Gumri kommst.“
    „Ich komme.“
    „Auf lange Zeit?“
    „Auf kurze Zeit, denn die Haddedihn sehnen sich nach den Ihrigen.“
    „Sie haben mir versprochen, mitzukommen, und wir werden dann beraten, wie ihr am sichersten den Tigris erreicht. Lebe wohl, Emir!“
    „Lebe wohl!“
    Der Melek stand mit meinen Gefährten dabei. Der Bey verabschiedete sich nochmals bei ihnen und eilte dann davon, um seine Kurden zu erreichen.
    Marah Durimeh hielt Wort: sie kam des Abends; und als sie mich ungehört sprechen konnte, fragte sie mich:
    „Herr, willst du
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