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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Autoren: Karl May
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Verbeugung, die so tief ging, daß die Spitzen ihrer Hüften fast über den waagrecht liegenden Rücken emporragten.
    „Sabahh 'l ker – guten Morgen, Herr!“ grüßte sie. „Du wolltest uns heute sehen, hier sind wir!“
    Das war eine militärisch kurze Meldung, ich antwortete:
    „Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus. Meine Gefährten sollen die Frauen kennenlernen, denen ich meine Rettung verdanke.“
    „Herr“, sagte Ingdscha, „du hast uns einen Boten gesandt; wir danken dir, denn wir waren wirklich in Sorgen.“
    „Hast du deinen Vater bereits gesehen?“
    „Nein. Er ist seit gestern nicht in Schohrd gewesen.“
    „Er ist hier. Komm herein!“
    Schon unter der Tür stießen wir auf den Raïs, der soeben das Haus verlassen wollte. Er machte ein einigermaßen erstauntes Gesicht, als er seine Tochter erblickte, fragte sie aber mit freundlicher Stimme:
    „Suchst du mich?“
    „Es ist Krieg, und ich habe dich seit gestern nicht gesehen“, antwortete sie.
    „Ängstige dich nicht; die Feindschaft ist vorüber. Geht zur Frau des Melek; ich habe keine Zeit.“
    Er schritt hinaus, schwang sich auf ein Pferd und ritt davon. Ich aber stieg mit den beiden nach oben, wo die Genossen soeben ihre Morgentoilette beendet hatten.
    „Heigh-day, wen bringt Ihr da, Master?“ fragte Lindsay.
    Ich nahm die beiden Frauen bei der Hand und führte sie ihm zu.
    „Das sind die beiden Ladies, welche mich aus der Höhle des Löwen befreiten, Sir“, antwortete ich. „Dies hier ist Ingdscha, die Perle, und diese andere heißt Madana, die Petersilie.“
    „Petersilie, hm! Aber diese Perle ist prächtig! Habt recht gehabt, Master! Aber beide brav, alle beide. Werde ihnen ein Geschenk geben, gut bezahlen, sehr gut. Yes!“
    Auch die anderen waren erfreut, meinen Besuch kennenzulernen und ich darf wohl sagen, daß den beiden Chaldäerinnen sehr viel Achtung und Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Sie blieben da bis Mittag, wo sie das Mahl noch mit uns einnehmen mußten, und dann begleitete ich sie eine Strecke Weges nach Schohrd zu. Als ich von ihnen schied, fragte Ingdscha:
    „Herr, hast du dich wirklich mit meinen Vater ausgesöhnt?“
    „So ist es.“
    „Und hast du ihm vollständig verziehen?“
    „Vollständig.“
    „Und er zürnt mir nicht? Er wird mich nicht schelten?“
    „Er wird dir nicht ein unfreundliches Wort sagen.“
    „Wirst du uns einmal besuchen?“
    „Bin ich denn dir und ihm willkommen, Ingdscha?“
    „Ja, Herr!“
    „So komme ich bald, vielleicht schon heute, vielleicht auch morgen.“
    „Ich danke dir. Lebe wohl!“
    Sie reichte mir die Hand und schritt weiter.
    Madana aber blieb bei mir stehen und wartete, bis das Mädchen außer Hörweite war, dann fragte sie:
    „Herr, weißt du noch, was wir gestern gesprochen haben?“
    Ich ahnte, was jetzt kommen werde, und antwortete lächelnd:
    „Jedes Wort.“
    „Und doch hast du ein Wort vergessen.“
    „Ah! Welches?“
    „Besinne dich!“
    „Ich glaube, alles zu wissen.“
    „O, grad das beste, das allerbeste Wort hast du vergessen.“
    „So sage es!“
    „Das Wort von dem Geschenk!“
    „Meine gute Madana, ich habe es nicht vergessen. Verzeihe mir, ich komme aus einem Land, wo man die Frauen höher hält als alles andere. Sie, die so schön, so zart und liebenswürdig sind, sollen sich nicht mit schweren Lasten plagen. Darum haben wir euch eure Geschenke nicht mitgebracht. Ihr sollt sie nicht diesen weiten Weg nach Schohrd tragen müssen, sondern wir werden sie euch heute noch senden. Und wenn ich morgen komme, so wird ein Anblick mein Herz erfreuen, denn ich werde dich geschmückt sehen mit dem, was ich dir aus Dankbarkeit verehre.“
    Die Wolke schwand, und heller Sonnenschein glänzte auf dem runzeligen Angesicht der guten Petersilie. Dieselbe schlug die Hände zusammen und rief:
    „O, wie glücklich müssen die Frauen deines Landes sein! Ist es weit bis dahin?“
    „Sehr weit.“
    „Wie viele Tagereisen?“
    „Weit über hundert.“
    „Wie schade! Aber du kommst morgen wirklich?“
    „Sicher!“
    „Dann lebe wohl, Herr! Der Ruh 'i kulyan hat gezeigt, daß du sein Liebling bist, und auch ich versichere dir, daß ich deine Freundin bin!“
    Nun gab sie mir die Hand und eilte Ingdscha nach. Wäre Germanistan nicht so viele Tagreisen entfernt gewesen, so hätte meine Petersilie vielleicht versucht, aus eigener Anschauung kennenzulernen, ‚wie glücklich unsere Frauen sind‘!
    Ich hatte den Rückweg noch nicht sehr weit
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