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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Autoren: Karl May
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unvorsichtiger Geist. Komm, Sihdi, laß uns den Menschen sofort wieder binden!“
    „Nein. Er hat mich um Verzeihung gebeten, und ich habe ihm verziehen!“
    „Sihdi, du bist ebenso unvorsichtig wie der Geist! Aber ich werde klüger sein: ich bin Hadschi Halef Omar und verzeihe ihm nicht.“
    „Du hast ihm nichts zu verzeihen!“
    „Ich? Nicht?“ fragte er verwundert. „O viel, sehr viel, Sihdi!“
    „Was denn?“
    „Er hat sich an dir vergriffen, an dir, dessen Freund und Beschützer ich bin, und das ist viel ärger, als wenn er mich selbst gefangengenommen hätte. Wenn ich ihm verzeihen soll, so mag er auch mich um Verzeihung bitten. Ich bin kein Türke, kein Kurde und kein feiger Nasarah, sondern ein Radschuld el Arab (Arabischer Mann),der seinen Sihdi nicht beleidigen und nicht kränken läßt. Sage ihm das!“
    „Vielleicht gibt es Gelegenheit dazu. Jetzt aber steige auf! Du siehst, die andern sitzen bereits zu Pferde.“
    Der Melek hatte neue Fackeln angebrannt, und der Rückweg wurde angetreten. Man war jetzt nicht so schweigsam wie aufwärts, und nur ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch, das von den drei Eingeborenen in fließendem Kurdisch, zwischen Lindsay und Halef aber mittels englischer und arabischer Sprachbrocken geführt wurde, von denen die beiden gegenseitig kaum den hundertsten Teil verstanden.
    Unser Besuch auf dem Berg gab mir viel zu denken. Worin bestand die Macht, die diese Marah Durimeh auf den Scheik sowohl als auch auf den Bey von Gumri ausübte? Der Umstand, daß sie Königin gewesen war, konnte an und für sich von keiner solchen Wirkung sein. Es gehörte mehr als dies dazu, um in so kurzer Zeit zwei Gegner zu versöhnen, die sich in Beziehung sowohl auf ihre Abstammung als auch auf ihren Glauben so schroff gegenüberstanden. Und fast ebenso wunderbar war es, aus dem wilden, ungefügen Nedschir-Bey so schnell einen freundlichen, lammfrommen Mann zu machen. Warum sollte dies alles Geheimnis bleiben, auch für mich? Ein anderes Menschenkind hätte sich mit einem solchen Einfluß, mit einer solchen Macht gebrüstet. Diese Marah Durimeh war nicht nur ein geheimnisvolles Menschenkind, sondern jedenfalls auch ein ungewöhnlicher, außerordentlicher Charakter. Welch ein Sujet für einen neugierigen Menschen, der sich in der weiten Welt umhertreibt, um interessante Gegenstände für seine Feder zu finden! Ich gestehe, daß mir jetzt das Geheimnis der alten Königin weit mehr am Herzen lag, als vorher die Streitigkeit zwischen den Kurden und Chaldani.
    Als wir die Lichter von Lizan wieder vor uns erblickten, meinte der Raïs von Schohrd:
    „Jetzt muß ich mich von euch trennen.“
    „Warum?“ fragte der Melek.
    „Ich muß an den Versammlungsort meiner Leute, um ihnen zu sagen, daß Frieden ist, sonst könnten sie ungeduldig werden und noch vor dem Morgen gegen die Kurden losbrechen.“
    „So gehe.“
    Er ritt von uns rechts ab, und wir waren in zehn Minuten in Lizan. Die Leute empfingen uns mit neugierigen Gesichtern. Die laute Stimme des Melek rief sie zusammen, und dann richtete er sich in dem Sattel empor, um ihnen zu verkünden, daß aller Kampf zu Ende sei, weil der Ruh 'i kulyan es geboten habe.
    „Wollen wir die Berwari bis morgen warten lassen?“ fragte ich ihn dann.
    „Nein. Sie sollen es sofort erfahren.“
    „Wer soll der Bote sein?“
    „Ich“, antwortete der Bey. „Sie werden keinem so leicht glauben wie mir. Reitest du mit, Herr?“
    „Ja“, stimmte ich bei, „nur warte noch ein wenig.“
    Ich wandte mich zu demjenigen Chaldani, der mir am nächsten stand, mit der Frage:
    „Du kennst den Weg nach Schohrd?“
    „Ja, Emir.“
    „So genau, daß du ihn auch im Dunkeln findest?“
    „Ja, Emir.“
    „Kennst du dort Ingdscha, die Tochter des Raïs?“
    „Sehr gut.“
    „Und vielleicht auch ein Weib, das Madana heißt?“
    „Auch das.“
    „So nimm jetzt ein Pferd und reite hin. Du sollst diesen beiden sagen, daß sie sich ohne Sorgen zur Ruhe legen können, denn es ist Frieden. Der Raïs ist mein Freund geworden und wird ihnen nicht zürnen, daß ich aus der Hütte entkommen bin.“
    Ich fühlte mich verpflichtet, den beiden braven Frauen Nachricht von dem glücklichen Ausgang der heutigen Verwicklungen zu geben; denn ich konnte mir ja denken, daß sie in Beziehung auf das Verhalten des Raïs sehr in Sorge sein würden. Und nun schloß ich mich dem Bey von Gumri an. Wir hatten unsere Pferde bereits in Gang gebracht, als uns der Melek
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