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13 - Der Gott der Finsternis

13 - Der Gott der Finsternis

Titel: 13 - Der Gott der Finsternis
Autoren: Diana G. Gallagher
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zweifeln, noch seinerseits das ihm entgegengebrachte Vertrauen zu missbrauchen. Nur ein Narr würde erwägen, diesen herausragenden Streiter der spanischen Eroberungszüge zu berauben.
    Sollte Cortez allerdings im Kampf fallen, so hätte er, Diego, gewiss keine Skrupel, die Reichtümer für sich zu beanspruchen. Außer ihm würde dann ohnehin niemand mehr leben, der von dem geheimen Versteck künden konnte, das er nun auswählen musste.
    Vielleicht war dies der richtige Ort. Während der letzten hundert Meilen waren sie weder auf Ansiedelungen noch auf Menschen gestoßen, also bestand keine Gefahr, dass das Versteck von neugierigen Einheimischen per Zufall entdeckt werden konnte.
    Diego nickte entschlossen, als die Wolkendecke aufriss und sein Blick über die mondbeschienene Erde wanderte. Auf der Anhöhe über seinen Männern sammelten sich mehrere Bäche zu einem Strom, der sich, vorbei an einem einzeln stehenden, hoch aufragenden Felsen in die Tiefe ergoss und tiefe Furchen in das abschüssige Land grub.
    Der Felsen erregte seine Aufmerksamkeit und verlangte danach, bei Tagesanbruch genauer untersucht zu werden.
    Diego zitterte, stampfte mit den Füßen auf und tränkte so seine durchnässten Stiefel mit noch mehr Schlamm. Für Mitte August war es ungewöhnlich kalt; ein Feuer würde seine Männer nicht nur erwärmen, sondern auch aufmuntern, doch er hegte keinerlei Hoffnung, eines entzünden zu können. Alles im Umkreis ihres Lagers war nass, und der Geruch von Feuchtigkeit und Moder hing schwer in der Nachtluft.
    Von plötzlicher Unruhe ergriffen, humpelte Diego zu den Packtaschen. Der Schmerz in seiner verwundeten Hüfte und der Glanz des Goldes würden ihn gewiss von dem beharrlichen Gefühl drohender
    Gefahr ablenken können, das der Traum hinterlassen hatte.
    Er sah die Rauchfahne zunächst nicht, die aus einer der Taschen aufstieg. Er roch jedoch Rauch; ein beißender Holzkohlengeruch, vermengt mit einem ätzenden, metallischen Dunst.
    Diego kniete vor der Packtasche nieder und starrte im fahlen Mondschein der seltsamen Rauchfahne nach. Mit zitternder Hand griff er unter die Lederlasche.
    Für einen kleinen Moment hegte er die irrwitzige Hoffnung, ein Holzstück könnte sich auf wundersame Weise an einem Räucherstein entzündet haben, der in einem der kupfernen Brenntiegel zurückgeblieben war; mit einer Handvoll moderndem Stroh würde ein Stück Kohle genügen, ein Feuer zu entzünden.
    Aber da war keine Hitze. Stattdessen berührte seine Hand eine kalte, glatte Fläche.
    Verwundert öffnete Diego die Tasche und zog einen nicht ganz runden Obsidianspiegel mit einem Rahmen aus Gold, Silber und Türkisen von etwa zwei Handbreit Durchmesser hervor.
    Rauch stieg von der Innenseite des Rahmens auf, kräuselte sich in der Tiefe der schwarz glänzenden Spiegelfläche und bannte seinen Blick.
    Diego fühlte, wie der Boden unter ihm erbebte, doch er konnte sich nicht rühren. Sein Blick, sein ganzes Sein, konnte dem rauchenden Spiegel und den Bildern in seinem Inneren nicht widerstehen.
    Diegos eigene bärtige Reflexion starrte ihm durch die Schwaden hindurch entgegen. Langes, nasses, wirres Haar umrahmte ein Gesicht, zerfurcht und vernarbt nach zu vielen Jahren des Krieges und der Entbehrung. Zusammengekniffene Augen verrieten den Verfall eines Geistes, der seinen Leib durchdrungen hatte und viel zu schnell altern ließ.
    Sein Puls beschleunigte sich, als sein Gesicht plötzlich unter dem Rauch verblasste, der gleich darauf aufriss und den Blick auf Templo Mayor, das Herz Tenochtitlans, freigab.
    Diego zuckte zusammen, überzeugt, die schwärenden Erinnerungen an das spanische Massaker und die barbarischen Gräueltaten hätten ihm den Verstand geraubt. Er hatte sein Schwert erhoben, um die hilflosen Stämme niederzumetzeln, die sich den Eroberern widersetzt hatten. Doch auch unter den Dolchen der Azteken waren Tausende Gefangener gestorben, geopfert auf den Altarsteinen am höchsten Punkt der abgeflachten Pyramide.
    Wie zum Hohn auf seine Abscheu und seine Furcht ergoss sich nun ein Strom von Blut von der Spitze des Heiligtums über die Stufen der beiden langen Treppen. Der blaugraue Rauch, der von dem Rand des Spiegels aufstieg, färbte sich rot, als sich das Bild auf die gesamte Insel ausdehnte.
    Eine Schlacht wütete in den schmalen Straßen, doch dies war nicht die Halluzination eines Wahnsinnigen, geboren aus der Erinnerung an den Rückzug, der ihn vor einem Jahr beinahe das Leben gekostet hatte.
    Die
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