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1285 - Das Spiel des Lebens

Titel: 1285 - Das Spiel des Lebens
Autoren: Unbekannt
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im geheimen betreiben mußte, weil alle Welt wußte, daß daheim in Tjann eine Frau seiner wartete.
    Verzeih mir, schöne, liebste Hoanna. Sie werden sich die Mäuler über dich und mich zerreißen. Es ist viel, was ich dir zumute. Aber es muß sein.
    Der Tyrann muß sterben!
     
    *
     
    Ich nannte mich Atjuf aus Tjann, aber der Wirt im Krug und Schwan merkte wohl, daß mehr hinter mir steckte, als ich erkennen lassen wollte - besonders nachdem ich ihm aufgetragen hatte, er solle mir schnellstens einen Kleiderhändler schicken, der Gewänder für den erlesenen Geschmack in seinem Sortiment führte. Außerdem mietete ich drei große Zimmer im rückwärtigen Teil des Gasthauses, von denen eines einen separaten Ausgang auf den Hof hatte, und zudem das Badehaus für meinen privaten Gebrauch.
    Ich kleidete mich aus. Dabei fiel mir ein merkwürdiger Zettel in die Hand, der sich in einer Tasche unter meine Habseligkeiten verkrochen hatte. Er war weder aus Pergament noch aus dem neumodischen Zeug, das sie Papier nennen. Er fühlte sich glatt und kühl an. Er war zusammengefaltet, aber wenn man ihn ausbreitete und glättete, verschwanden die Faltenknicke spurlos, als wären sie nie dagewesen. Solches Material hatte ich noch nie in Händen gehabt. Ich fragte mich, wie es in meine Tasche gekommen sein mochte.
    Auf dem Zettel stand unleserliches Zeug. Es sah so aus, als sei es in meiner Handschrift geschrieben, aber solche Zeichen kannte ich nicht.
    Während ich den Zettel betrachtete, drängten sich Gedanken von außen her in mein Bewußtsein, und ich hörte mich sagen: „Du hast doch recht gehabt, Ron."
    Ich erschrak. Verwirrte sich mein Verstand? Ich griff an die Stirn und vergewisserte mich, daß ich kein Fieber in mir trug. Wer war Ron, und womit hatte er recht gehabt? War der Zettel ein Zauberding, das mir fremde Gedanken eingab? Ich zog unter meinen Habseligkeiten, die ich auf dem Tisch ausgebreitet hatte, Stahl und Lunte hervor und zündete eine Flamme. In die Flamme hielt ich den Zettel und erwartete nichts anderes, als ihn sofort in Feuer und Rauch aufgehen zu sehen. Aber nichts da! Ich verbrannte mir die Finger. Der Zettel dagegen verfärbte sich nicht einmal. Er wurde auch nicht heiß.
    Mir wurde unheimlich zumute. Mit dem Zettel mußte es etwas Wichtiges auf sich haben.
    Vielleicht fand ich irgendwo einen Gelehrten, der die gekritzelten Zeichen zu entziffern verstand. Auf jeden Fall mußte ich den Zettel behalten.
    Kurze Zeit später erschien der Kleiderhändler. Ich hatte mich inzwischen mit Parfüm besprüht, damit man den Schweiß der Wanderung nicht mehr roch. Zum Baden war ich noch nicht gekommen. Der Händler hatte eine Probe seiner Waren mitgebracht. Sie waren nicht schlecht. Wir wurden rasch handelseinig, da das Feilschen nicht mein Metier ist. Ich bezahlte mit Gold, und der Händler war so zufrieden, daß er mir noch ein weißes Seidenhemd als Gabe dazulegte.
    Eine Magd erschien, um mir mitzuteilen, daß der Wasserkessel im Badehaus ausreichend erhitzt sei. Verschämt erkundigte sie sich, ob sie mir beim Baden behilflich sein könne. Ich belohnte sie mit einem Silberstück und gab ihr zu verstehen, daß ihre Dienste nicht erforderlich seien.
    Ich legte ein Tuch um und ging über den Hof ins Badehaus. In der Wanne mischte ich mir ein Gebräu aus heißem Wasser, Gewürzen und Badesalzen. Dann stieg ich ein und ließ dem von der langen Wanderung verkrampften Körper Zeit, sich zu entspannen.
    Viel Entspannung war mir allerdings nicht gegönnt. Es pochte an die Tür, und zwar nicht artig und zaghaft, sondern mit Macht, als schlüge einer mit dem Hammer gegen die Bohlen.
    „Scher dich fort!" schrie ich zornig. „Ich habe das Badehaus gemietet."
    „Oh ja?" antwortete eine tiefe, kräftige Stimme von draußen. „Das werden wir sehen."
    Ein donnernder Schlag dröhnte gegen die schwere Tür. Mit Entsetzen sah ich die Schneide eines Beiles, die durch die Bretter gedrungen war. Blitzschnell wurde sie wieder zurückgezogen, dann krachte es von neuem. Ich wollte aus der Wanne springen. Es widerstrebte mir, dem ungestümen Burschen nackt gegenüberzutreten. Aber er war schneller als ich. Unter der Wucht seines Schlages zerbarst der hölzerne Riegel. Die Tür flog auf, und ich sank schamhaft unter die schützende Hülle des Schaums, der die Oberfläche des Badewassers bedeckte.
    Der Eindringling war ein hochgewachsener Mann. Sein Gesicht war von Narben bedeckt, die eine schwere Krankheit hinterlassen haben mußte.
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