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124 - In der Gewalt der Daa'muren

124 - In der Gewalt der Daa'muren

Titel: 124 - In der Gewalt der Daa'muren
Autoren: Jo Zybell
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eine Menge gut erhaltener Ruinen und Erdlöcher, in denen die Sippe Unterschlupf fand.
    »Und du bist sicher, dass du schon wieder stark genug für einen solchen Marsch bist?«, fragte ihn der Scheff, als Rudgaar die Birkengruppe vor seiner Ruine erreichte. Der Anführer der Waldmänner beäugte ihn skeptisch. Sein Hund riss sich von ihm los, sprang an Rudgaar hoch und leckte ihm über das Gesicht.
    »Für einen Spaziergang, meinst du?« Rudgaar drückte den Hund an sich, liebkoste ihn und zischte ihm einen Befehl ins Ohr. »Sicher bin ich das, Brunor.« Der junge Doyzdogger ließ von ihm ab, setzte sich neben seinen Herrn und spitzte die Ohren. »So was darfst du ihm nicht durchgehen lassen, sonst tanzt er dir bald auf der Nase herum.«
    Der Scheff schlug dem schwarzen Hund mit der flachen Hand in den zotteligen Nacken, zischte etwas Unfreundliches und riss ihn am Halsband näher zu sich. Rudgaar hatte ihm den halbwüchsigen Rüden zwei Wochen zuvor geschenkt – aus Dankbarkeit dafür, dass Brunors Sippe erst seine Familie und dann ihn auf der Flucht vor den Pottsdamern aufgenommen und ihn gesund gepflegt hatte. Zwei Pfeile der Verfolger hatten ihn in den Oberschenkel und den Bauch getroffen.
    Brunor, der Scheff, war ein zäher, klein gewachsener Mann mit verfilzten Haaren und einem Graubart bis zum Bauch. Mit dem Pfeil traf er einen Singvogel auf einen halben Speerwurf Entfernung. Er war Tilmos Onkel und Guundals älterer Bruder.
    Alv hingegen war Brunors Neffe und Guundals Sohn, wie übrigens auch Tilmo zu den vielen Söhnen Guundals gehörte.
    »Ihr habt Pottsdam auszuspähen.« Brunor wandte sich an seinen jüngeren Bruder. »So viel hast du begriffen, oder?«
    »Bin ich blöd, oder was?« Guundal schnitt eine grimmige Miene. Mit beiden Armen fuchtelte er dem Scheff vor der Nase herum. »Ich weiß, was ich zu tun habe!« Rudgaar beschäftigte sich mit seinem ältesten Rüden. Die Streitigkeiten zwischen dem Brüderpaar nervten mitunter, aber sie gehörten einfach dazu.
    »Wenn ihre Krankheit sich verschlimmert hat, wenn sie träge und kampfunfähig sind, schickst du Alf als Boten«, sagte Brunor. »Ich komme dann mit ein paar Jägern, und wir werden einen kleinen Raubzug wagen. Wenn es zu gefährlich ist, kommt ihr nach Luukwald.«
    Rudgaar war ein typischer Siedlungsbewohner. Die räuberische Lebensweise der Waldmänner war ihm fremd und nicht ganz geheuer. Dennoch schätzte er diese wilden Leute: mochten sie auch verschlagen und angriffslustig sein. Hatte man sie, wie Königin Jenny von Beelinn, erst einmal als Verbündete gewonnen, konnte man in jeder Lage auf sie zählen.
    Dem Späherstreifzug schloss Rudgaar sich nur an, weil er wissen wollte, was in Pottsdam vor sich ging. Auch war er beunruhigt, weil Tilmo sich seit drei Wochen nicht mehr in Luutwiksfeld hatte blicken lassen und Rudgaar entsprechend lange nichts mehr aus Beelinn gehört hatte.
    »Zu gefährlich, sag ich doch.« Guundal winkte ärgerlich ab.
    »Viel zu gefährlich. Im Wald und in den Ruinen finden wir alles, was wir für den Winter brauchen. Was sollen wir uns da noch mit den Pottsdamern herumschlagen?«
    »Genug gequatscht!« Mit einer herrischen Geste machte der Ältere deutlich, dass die Diskussion für ihn beendet war. »Geht jetzt!«
    Endlich. Rudgaar löste die Leine der Hunde. Die übliche und ziemlich langweilige Zeremonie war erledigt – Rudgaar nannte sie insgeheim »Großer Bruder, kleiner Bruder« – und die Wanderung nach Pottsdam konnte losgehen. Greif und die Schwarze sprangen ins Unterholz, Alf schulterte seinen Speer und Guundal warf seinem älteren Bruder einen letzten unwilligen Blick zu, bevor er Anstalten machte, den Doyzdoggern und dem Hundemeister zu folgen.
    Irgendjemand rief Rudgaars Namen. Sie blieben stehen und blickten sich um. Ein verwildert aussehender Mann in Fellen und mit schwarzem Bart und Haaren brach vierzig oder fünfzig Schritte entfernt durch eine Brabeelenhecke. Ein Späher. Er bog die Zweige zur Seite, damit ein Kleinerer und Jüngerer aus dem Dickicht auf die Lichtung vor der Ruine treten konnte, ein Halbwüchsiger von höchstens fünfzehn Jahren. Seine Beinkleider waren kurz und dreckig, seine knöchelhohen Stiefel aus Wildleder. Wie allen Söhnen Guundals haftete auch diesem etwas Unbeugsames, Stolzes an – sein nackter Oberkörper war schmächtig aber gerade, seine dichten Locken waren verfilzt, aber sie bedeckten seinen Kopf wie eine Fürstenkrone und fielen ihm weit in den Rücken wie ein
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