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124 - In der Gewalt der Daa'muren

124 - In der Gewalt der Daa'muren

Titel: 124 - In der Gewalt der Daa'muren
Autoren: Jo Zybell
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»Ja… manchmal… manchmal ist die Welt wie Orguudoos Hölle, und jetzt ist sie bis unter unsere Dächer geschlichen, die Hölle Orguudoos…«
    Jenny drehte sich nach ihm um. Wie ungelenk und plump er wirkte, mit seinem vorgeschobenen Kinn, mit den beiden über die Oberlippe ragenden Eckzähnen und seiner Augenklappe.
    Doch oft genug hatte Jenny erfahren, wie rasch Bulldogg verfahrene Situationen durchschauen und wie flink er reagieren konnte. Klug und stark war der Chef ihrer Leibgarde; und er war treu. Undenkbar, ihm zu misstrauen.
    »Was ist los mit unserem Berlin, Bulldogg? Warum hat das Unglück sich bei uns eingenistet? Hast du den Sergeanten Deenis beobachtet? Und den Oberst? Wie erschöpft sie wirken.«
    »So war Johaan auch zum Schluss«, bestätigte Bulldogg.
    »Viele sind so.« Mit einer Kopfbewegung deutete Jenny zum Balkon. »Sieh dir doch nur Miouu an! Welche Krankheit lähmt unsere besten Köpfe?«
    Draußen stand die schmale Gestalt ihrer Leibwächterin und rührte sich nicht. Ihr blauschwarzes Haar flatterte im Wind, und vom Marktplatz stieg Rauch in den herbstlichen Himmel.
    »Sie verbreitet sich, seitdem der Mann aus dem Norden bei uns ist«, sagte Bulldogg. »Ja, ich glaube Arnau hat eine Krankheit eingeschleppt, gegen die er selbst immun ist…«
    »Nein!« Für ein kühles Urteil kam ihr Nein eine Spur zu heftig. Jenny selbst fiel es auf. Warum schlug ihr Herz schneller beim Gedanken an den schönen Mann aus dem Norden? Sie schob ihre Gefühle beiseite – bis zur Perfektion hatte sie das gelernt, seit ihrer Landung in den Ruinen Berlins vor mehr als vier Jahren – und dachte einen Augenblick nach.
    »Nein, es hat schon früher begonnen: mit Nauras Ankunft. Aber sie können wir nicht mehr fragen…«
    ***
    Wie so oft flog sie in der folgenden Nacht wieder durch einen trüben Himmel. Hinter ihr im Cockpit saß Dave McKenzie, unter ihr erstreckte sich ein schier endloser Wald, aus dem schwärzliche Ruinen ragten.
    Keine panischen Menschenmassen auf den Straßen von Wohngebieten, keine zusammenbrechenden Hochhäusern, kein Stimmenstakkato aus dem Funk, keine chaotisch ineinander verkeilte Autokolonnen, kein Orkan, keine Brände, keine Staubwolke, die den Tag verfinsterte – nichts von all dem, was man wenige Minuten nach einem Kometeneinschlag erwarten sollte. Nur Urwald und menschenleere Ruinen.
    Zwei oder drei Schleifen drehten sie über der fremdartigen Gegend, bis sie begriffen, dass sie die gleiche Stadt überflogen, von der sie eine knappe Stunde zuvor in Commander Drax'
    Geschwader gestartet waren. Wie damals vor vier Jahren fragte Jenny sich, warum die gleiche Stadt nicht mehr dieselbe Stadt war. Und wie damals machte Professor McKenzie seiner grenzenlosen Verwirrung, ja seinem Entsetzen in spontanen Gebetsrufen Luft. »Jesus, Maria und Josef!«, rief er immer wieder, und »Bei allen Heiligen…!« Seine Stimme im Bordfunk hallte, als wäre das Cockpit eine leere Kathedrale.
    »Haben Sie eine Erklärung für das da unten?«, rief Jenny.
    »Ich habe nicht einmal eine Erklärung dafür, dass wir noch leben!« Seine Stimme zitterte vor Angst. Damals, vor vier Jahren, und auch jedes Mal, wenn Jenny die schlimmsten Minuten ihres Lebens aufs Neue erlebte.
    Sie steuerten die Basis der US Air Force an. Was sollten sie auch sonst tun? Warten, bis ihnen der Treibstoff ausging?
    Jenny zog den Jet in eine weite Schleife. Unter sich sah sie ausgebrannte Hallen, Flugzeugwracks und ein vielfach aufgebrochenes Asphaltfeld, auf dem Gras, Buschwerk und einzelne Bäume wuchsen wie auf einer Waldlichtung.
    McKenzies Worte hallten von fern, sie verstand ihn nicht.
    Plötzlich sah sie etwas, das sie an dieser Stelle des Traums noch nie gesehen hatte: Ein schwarzer Hund lief durch das Gras der Rollbahn. Canada!, schoss es ihr durch den Kopf.
    Und auf dem Rücken des Hundes saß ein kleines blondes Mädchen. Anniemouse!
    Und im gleichen Moment begriff sie, dass es nur ein Traum war und dass sie jeden Moment erwachen würde – in einen noch böseren Traum.
    Irgendwie brachte sie die Maschine jedes Mal nach unten.
    Sie stieg aus und sah ausgebrannte Ruinen und Flugzeugwracks. Sie sah McKenzie aus der Maschine springen, wie sein Adamsapfel auf und ab hüpfte und seine Augen hinter den Brillengläsern unruhig hin und her schweiften, während er eine Bemerkung über das merkwürdige Licht machte. Es war jedes Mal das Gleiche. Dann aber geschah wieder etwas Neues: Sie hörte Ann aus der Ferne schreien: »Jennymom!
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