1218 - Der Haluter Sokrates
durchstoßen und in die weite Tiefe vorzudringen."
„Die Drangwäsche", vermutete Atlan. „In der Tiefe konntest du dich austoben."
„Ja - aber ohne zu raufen und Vandalismus zu betreiben. Wichtig war für mich, daß ich mich auch durch Meditation abreagieren konnte."
Überrascht blickten ihn die beiden Ritter an. Meinte er es ernst?
Konnte es das geben? Einen Haluter im Zustand der Drangwäsche, der sich durch Meditation abreagierte?
„Ich habe die Tiefe ..." Domo Sokrat stockte. Er suchte spürbar nach dem richtigen Wort.
Nach einer Pause von einigen Sekunden fuhr er zögernd fort: „Ich habe die Tiefe eingeatmet. Dadurch bin ich zu einem Philosophen geworden, zu einem Jünger des Tiefeneinflusses."
„Ich verstehe", sagte Jen Salik - was nicht ganz der Wahrheit entsprach.
„Seit damals bin ich überzeugt, daß die Tiefe allein den wahren Pulsschlag des Lebens hat."
Atlan setzte sich auf einen der Tische. Zweifelnd musterte er den Haluter.
„Dann bist du durch und durch grau?"
„Man kann es so nennen", antwortete Domo Sokrat, „obwohl mir der Ausdruck grau überhaupt nicht gefällt."
„Und du bist mit den Taten der Grauen Lords einverstanden?"
Abwehrend hob der Haluter die Hände. Seine Augen blitzten unternehmungs- und streitlustig auf.
„Ganz und gar nicht", protestierte er. „Es gibt viele Dinge, die mir überhaupt nicht gefallen. Dennoch bin ich grau, aber in einem anderen Sinn."
„Hast du bereits einen Erben?" fragte Atlan.
Die Lippen des Haluters schlossen sich, und für einen kurzen Moment schien es, als werde er der Arkoniden für diese Frage bestrafen. Doch dann lachte er und hob abwehrend seine vier Hände.
„Die Tiziden wollen, daß ich Nachkommen schaffe", brüllte er mit hallender Stimme, „aber mir ist es dafür noch viel zu früh. Das hat Zeit, bis ich wenigstens zweieinhalbtausend Jahre alt bin."
Er lachte erneut.
„Die Tiziden - allen voran Torleman - haben mich schon oft gedrängt, einen Nachkommen zu schaffen", fuhr er fort. „Aber das kommt nicht in Frage. Ich halte mich streng an die halutischen Gesetze."
„Die besagen, daß nur dann ein neues Wesen geboren werden darf, wenn ein anderes stirbt."
„Richtig."
„Aber dadurch bist und bleibst du ein Einzelgänger", stellte Jen Salik fest.
„Das bin ich gern. Ich brauche keine halutische Gesellschaft, so sehr ich sie genießen würde, wenn ich sie hätte. Wichtiger wäre etwas anderes."
Atlan blickte ihn prüfend an.
„In dir kribbelt es", sagte er.
„Allerdings. Ich glaube, ich habe mal wieder eine Drangwäsche nötig."
„Und die wäre dann wichtiger als die Tiefenphilosophie?" fragte Jen Salik.
Domo Sokrat lachte.
„Allerdings. Die würde Priorität vor der Tiefenphilosophie genießen."
Die Spannung, die zeitweilig zwischen ihnen bestanden hatte, war wie weggewischt. So etwas wie eine scheue Freundschaft bahnte sich an. Die beiden Ritter der Tiefe fürchteten nicht mehr, von ihm verraten zu werden. Das einzige, was ihnen mißfiel, war das Gebrüll des Haluters. Sie hätten ihn gern gebeten, etwas leiser zu sein, doch sie wußten, daß er für eine derartige Bitte kein Verständnis gehabt hätte.
Plötzlich verlor Domo Sokrat das Interesse an dem Gespräch. Er verabschiedete sich und eilte davon.
*
Lethos-Terakdschan meldete sich erneut. Seine telepathische Stimme klang in Atlan und Jen Salik auf.
Bonsin-Twirls Zustand bessert sich allmählich, teilte er mit. Leider weigert sich der junge Abaker noch immer, von seinen Psikräften Gebrauch zumachen. Er ist zwar gewillt, mitzuhelfen, sein ehemals so lebenslustiges Volk von dem grauen Einfluß zu befreien, er kann auch schon wieder Spaße machen und drollig sein, aber der Schock wirkt noch immer nach. Er hat noch nicht überwunden, welches Inferno er in Meister Dovhans Werkstatt angerichtet hat.
Lethos bedauerte, daß die beiden Ritter zu einer weiter entfernten Station gebracht worden waren und kündigte zugleich sein Kommen an.
Auf dem Weg dorthin werde ich weitere Erfahrungen sammeln können, schloß er.
*
Endlich hatten Jen Salik und der Arkonide Zeit und Gelegenheit, über das zu reden, was sie erlebt hatten. Sie diskutierten über die seltsamen Bilder, die ihnen der Computer vermittelt hatte, und über die Informationen, die sie erhalten hatten.
Ganz besonders wichtig erschien ihnen, daß die Tiziden eine überragend wichtige Funktion in der Tiefe hatten. Und sie waren sich einig darin, daß eine ungeheure Gefahr von
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