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121 - Das Dorf der lebenden Toten

121 - Das Dorf der lebenden Toten

Titel: 121 - Das Dorf der lebenden Toten
Autoren: A.F.Morland
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sämtliche Türen, holte oft gleichaltrige Freunde ins Haus und stellte mit ihnen die Bude auf den Kopf.
    Anfangs hatte Mitchell Brown, Helens Vater, seinen Sohn nicht gemocht. Er hatte ihm die Schuld am Tod seiner Mutter gegeben. Sie war bei Andys Geburt gestorben.
    Inzwischen wußte er, daß das dumm von ihm gewesen war, und er versuchte all die Liebe nachzuholen, die er dem Kleinen in der ersten Zeit seines Daseins vorenthalten hatte.
    Das bedeutete, daß Andy ohne jedes Verbot aufwuchs. Der Kleine durfte einfach alles tun, und das tat er auch. Manchmal hätte ihn Helen am liebsten verdroschen, so sehr trampelte der kleine Racker auf ihren Nerven herum, Helen trug Schwarz, als würde sie trauern. Sie besaß keine andere Garderobe mehr, hatte all die bunten Sachen, die sie früher getragen hatte, weggegeben, einem Mädchen geschenkt, das nicht zu den Grufties gehörte.
    Mit ihr war Mitchell Brown nicht so nachsichtig, an ihr hatte er ständig herumzumeckern. Da paßte ihm dies und jenes nicht, aber im Grunde genommen konnte er nichts mehr tun, denn Helen war neunzehn.
    Vielleicht war es das, was ihn so sehr ärgerte. Sie brauchte sich von ihm nichts mehr zu sagen lassen, war frei in ihren Entscheidungen.
    »Oh, Hoheit gibt sich heute ausnahmsweise mal die Ehre«, sagte Mitchell Brown ätzend. »Was ist passiert? Haben die Grufties dich ausgeschlossen? Bist du ihnen nicht verrückt genug? Ich verstehe nicht, wie man sich so herrichten kann. Auf dem Friedhof trefft ihr euch, als wär’s ein Betriebsausflug von Totengräbern. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ich mich mal für meine eigene Tochter schämen muß. Ganz Wellfolk redet über euch. Weißt du, was die Leute sagen? Die einen behaupten, ihr wärt pervers. Die anderen meinen, daß ihr alle in eine Irrenanstalt gehört. Der Meinung bin ich auch. Ein Glück, daß deine Mutter das nicht erleben muß. Sie würde sich in Grund und Boden schämen.«
    »Laß sie doch, Dad«, sagte der kleine blonde Andy.
    »Sei still, das verstehst du nicht«, wies ihn Mitchell Brown zurecht
    »Warum darf sich Helen nicht mit Freunden treffen?« fragte Andy.
    »Nicht mit diesen Freunden. Bei denen ist nämlich eine Schraube locker«, sagte Mitchell Brown.
    Andy saß an einem runden Schleiflacktisch in der Wohnküche und löffelte Cornflakes mit warmer Milch. Helen setzte sich an ihren Platz. Ihr Vater stand am Herd.
    »Auch Cornflakes?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Kaffee,«
    »Und was dazu?«
    »Nichts, Dad. Nur Kaffee.«
    »Natürlich schwarz, wie es sich für einen echten Gruftie gehört, nicht wahr?« giftete Mitchell Brown.
    Helen ging nicht darauf ein. Sie senkte den Blick und schwieg.
    »Mein Gott, wie du aussiehst«, nörgelte Mitchell Brown weiter. »Hast du heute morgen schon in den Spiegel gesehen? Man schläft in der Nacht - und nicht am Tag.«
    »Hast du was, Helen?« fragte Andy seine große Schwester.
    »Natürlich hat sie was: einen riesengroßen Vogel! Einen Lämmergeier!« behauptete Mitchell Brown und brachte seiner Tochter den Kaffee.
    »Du siehst so traurig aus«, sagte Andy, der Nachzügler.
    »Ach was, traurig. Dieser Gesichtsausdruck gehört einfach zu ’nem Gruftie, aber davon verstehen wir nichts, mein Junge.« Mitchell Brown setzte sich. Er hatte bereits gefrühstückt.
    Er war ein Mann von vierzig Jahren, hatte ein breites Gesicht und leicht abstehende Ohren. All sein Gemecker hinderte Helen nicht daran, ihn zu lieben.
    Sie nahm einen Schluck vom Kaffee und sagte dann: »Ich muß mit dir reden, Dad.«
    »Du bist doch nicht etwa auf einmal an meiner Meinung interessiert. Brauchst du meinen Rat? Das kann ich kaum glauben. Bisher wußtest du doch immer alles besser als ich,«
    »Die Sache ist sehr ernst, Dad.«
    »Dann schieß mal los.«
    »Ich würde gern allein mit dir sprechen«, sagte Helen.
    »Wir sind eine Familie. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
    »Bitte, Dad«, sagte Helen eindringlich.
    Andy war mit seinen Cornflakes fertig. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Darf ich zu Frankie Charlton gehen, Dad?«
    »Meinetwegen«, sagte Mitchell Brown. »Aber zu Mittag bist du wieder zu Hause, verstanden? Sag Mrs. Charlton, sie soll dich um halb zwölf heimschicken.«
    Der fünfjährige Junge sprang vom Stuhl und stürmte mit seinen kurzen Beinchen aus der Küche.
    »Wenn du Mrs. Charlton wieder so ärgerst wie neulich, ziehe ich dir die Ohren lang!« rief ihm Mitchell Brown nach. Es verstand sich von selbst,
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