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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin
Autoren: Jo Zybell
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schienen es eilig zu haben.
    Bald hörte Bulldogg ihre Schritte draußen auf dem Gang. Er setzte den Kleinen ab und ging ihnen entgegen. Wulfgang und Maakus wirkten nicht eben heiter, eher besorgt, ja erschrocken fast. Ein paar Schritte vor ihm blieben sie stehen. Mit einer Kopfbewegung wiesen sie auf die dritte Gestalt. Die kam Bulldogg so nahe, dass er die Wärme ihres Körpers fühlen konnte. Sie enthüllte ihren Kopf. Große Augen voller Feuer und Ernst blickten aus einem schmalen, schönen Gesicht zu ihm herauf.
    »Mi… Miouu…«, stammelte Bulldogg. »Du… lebst…« Er schloss sie in seine massigen Arme und drückte sie an seine breite Brust. »Miouu, unsere Miouu ist wieder da…« Er ließ sie los. Tränen der Freude strömten ihm über die stoppelbärtigen Wangen. »Kommt schon, kommt rein.«
    Er winkte die drei Gäste hinter sich her. Neugier brannte in ihm; zu gern hätte er erfahren, wie es Miouu ein weiteres Mal angestellt hatte, dem Tod aus der Schlinge zu schlüpfen. Doch er hütete sich, auch nur mit einem Wort an dieses Thema zu rühren. Man hatte Miouus Geheimnis zu akzeptieren, man durfte ihr keine Fragen nach ihrer Vergangenheit stellen. So war das eben, und Punkt.
    Kaum saßen sie am Tisch, berichtete Miouu. »Naura tauchte plötzlich aus dem Becken auf. Sie hat Rotaa gekauft. Ich fürchte, Meister Johaan hat ihn dir ganz bewusst als Palastgardist empfohlen…«
    »Was sagst du da…?« Bulldogg ballte beide Fäuste. Maakus und Wulfgang tauschten finstere Blicke aus.
    »… und ich glaube, sie hatte es auf mich abgesehen.«
    Eine Zeitlang schwiegen alle vier. Bulldoggs Jüngster kletterte seinem Vater auf die Knie und versuchte nach dessen Augenklappe zu grapschen. Leena kam herein, zeterte und nahm ihm den Kleinen vom Schoß.
    »Edelgaars Mann ist heute Nacht erstochen worden«, sagte der alte Maakus in das Schweigen hinein. »Die ganze Siedlung ist in Aufruhr. Von Edelgaar fehlt jede Spur.«
    »Der Kerl hat es doch nicht besser verdient«, zischte Wulfgang. »Selbst die, die Edelgaar für die Mörderin halten, geben der verfluchten Schlampe die Schuld. Es gibt inzwischen eine Menge Leute in Beelinn, die Naura den Tod wünschen.«
    »Tun wir uns mit ihnen zusammen«, schlug Miouu vor.
    »Warten wir nicht, bis Königin Jenny ihr Urteil spricht – bis dahin könnte es zu spät sein. Schaffen wir die verfluchte Mörderin dorthin, wo sie hingehört: hinunter in Orguudoos finsterste Tiefe…«
    ***
    »Es ist gefährlich.« Osgaard von Braandburg wand sich wie die Schlange in den Fängen des Lupa. »Es ist verdammt gefährlich.« Er beäugte die Amphore zwischen Johaans Daumen und Zeigefinger. Das Gefäß war aus grünlichem Glas und nicht viel größer als der Knauf am Degengriff des Braandburgers. »Ich genieße die Gastfreundschaft der Königin, versteht ihr? Ich sollte so wenig wie möglich zu tun haben mit der Sache.«
    »Aber einen Posten am Hof der zukünftigen Königin, den willst du dennoch, was?« Aus schmalen Augen funkelte Naura den blonden Schönling an. »Verdammt, Osgaard! Du wirst tun, was ich dir sage!« Sie hielt ihm die Amphore unter die Nase.
    »Es ist ungefährlicher als einen Pfeil auf sie abzuschießen oder ein Schwert in ihr Herz zu bohren! Das Gift wirkt erst nach Stunden. Niemand wird dich verdächtigen, wenn du es in ihren Wein oder ihr Essen…«
    Ein heftiges Geräusch an der Tür ließ sie verstummen. Sie fuhr hoch und lauschte, denn irgendjemand donnerte den Klopfer mit drängender Gewalt gegen die Tür. Stimmen krakeelten draußen im Garten.
    Johaan stürzte ans Fenstern. Einen Atemzug lang stand er wie erstarrt, bevor er einen Flügel aufriss. »Was habt ihr in meinem Garten verloren…?!«
    Naura lief zu ihm, presste sich neben ihn an die Wand und blickte hinunter: Da standen sie – fünfzig oder sechzig Beelinner, vorwiegend Frauen, aber auch ein gutes Dutzend schwer bewaffneter Männer zählte sie. Unter dem Fenster, auf den Stufen der Vortreppe, stand der Oberst der Palastgarde.
    Naura fluchte und zuckte zurück.
    »Gib sie raus, deine Hure, Meister Johaan!«, schrie eine Frau, und ein Mann mit einer Fackel in der Hand brüllte:
    »Heraus mit der Hexe, oder du verbrennst gemeinsam mit ihr!«
    »Siehst du sie?«, fragte Johaan mit tonloser Stimme.
    »Ich bin nicht blind!«, zischte Naura.
    »Nicht den Pöbel.« Johaan deutete zum Tor. »Die Frau vor dem Garten meine ich.«
    Naura kniff die Lider zusammen. Ihr Blick folgte seinem ausgestrecktem Arm, und
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