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1193 - Das Templerkind

1193 - Das Templerkind

Titel: 1193 - Das Templerkind
Autoren: Jason Dark
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sicher nicht, sich mit diesem Heim beschäftigen zu müssen. Wer hier lebte und auch arbeitete, konnte kaum fröhlich sein.
    Dennoch wollte ich mich nicht zu stark ablenken lassen. Der Job musste gemacht werden, und dabei blieb es.
    Ich suchte nach einer Schelle und fand sie auch an der Außenwand, neben einem kupferfarbenen Schild, auf dem der Name des Heims zu lesen stand. Ich meldete mich auf diese akustische Art und Weise an und wartete auf eine Reaktion.
    Die erfolgte, denn ich hörte sehr schnell ein Summen. Mit der rechten Hand stieß ich die Tür auf und wunderte mich darüber, wie leicht das zu schaffen war.
    Mein Eintritt glich einem Auftritt, denn vor mir öffnete sich der Bereich des Eingangs wie eine Bühne, auf der allerdings nur wenige Requisiten standen. Zwei fast deckenhohe Schränke fielen mir auf. Sie standen sich gegenüber und flankierten praktisch den Beginn einer breiten geschwungenen Treppe aus grauen Steinen. Kein Teppich bedeckte sie. Für mich endete sie im Halbdunkel der ersten Etage.
    Auch hier unten war es nicht viel heller, denn die kugeligen Deckenleuchten strahlten nicht eben das hellste Licht ab. Durch die Fenster erhielten sie auch kaum Verstärkung, und so sah dieser Bereich recht trist aus.
    Was mir auffiel, war die Ruhe. Ich hörte keine Kinderstimmen, auch kein Lachen. Es herrschte eine schon klosterhafte Stille. Trotzdem hatte mir jemand die Tür geöffnet.
    Und dieser Jemand war zu hören.
    Es gab nur einen großen Teppich, der jedoch wurde von einer Person umgangen, die sich aus dem Hintergrund löste. Als ich hinschaute, sah ich noch einen Reflex, der von einer zufallenden Glastür stammte. Von dort aus hatte man mich also gesehen.
    Ich drehte mich um und sah die Frau, von der die harten Schritte stammten.
    »Bonjour, Monsieur Sinclair«, sagte sie zu meiner leichten Überraschung.
    Ich lächelte, schaute der Frau entgegen und erwiderte den Gruß. Die Frau erinnerte mich an eine Gouvernante aus einem früheren Jahrhundert. Sie wirkte sehr streng in ihrem Kostüm und der hellen Bluse, die sicherlich keine Falte zeigte. An ihr wirkte alles so klinisch und zugleich perfekt.
    Eckig, hager. Dunkle, sehr glatte Haare, dünner Mund und prüfende Blicke, die mich von Kopf bis zu den Füßen blitzschnell musterten.
    Darin war sie wirklich perfekt. Einem normalen Besucher wäre das kaum aufgefallen, aber ich hatte schon eine etwas andere Beobachtungsgabe.
    »Sie scheinen überrascht zu sein, dass ich Ihren Namen kenne«, sagte sie und reichte mir die Hand.
    Ich wollte nicht unhöflich sein und fasste zu. Dabei hatte ich das Gefühl, einen toten Fisch anzufassen, allerdings einen ziemlich festen.
    »Nicht direkt, man hat mich ja angekündigt.«
    »Ja, der Abbé.«
    Meine Hand hatte sie längst losgelassen und stellte sich jetzt ebenfalls vor.
    Sie hieß Anne Ferrant und leitete das Heim. Zugleich sprach sie davon, wie schwer es doch war, mit den Kindern und Jugendlichen zurechtzukommen, besonders dann, wenn sie die Pubertät erreichten.
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete ich ihr bei. »Da werden Sie bestimmt froh sein, wenn ich Ihnen eine kleine Bürde abnehme.«
    »Irgendwie schon.«
    »Clarissa ist Vollwaise, wie ich hörte.«
    »Leider.«
    »Haben Sie hier nur Vollwaisen im Heim?«
    »Nein, auch Halbwaisen. Da kann es dann schon vorkommen, dass die Väter oder Mütter keine Zeit haben, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Bei einem Elternteil ist das ja immer etwas schwer. Aber reden wir nicht davon. Gehen wir zu Clarissa hoch.«
    Die Ferrant wollte auf die Treppe zugehen, aber ich hielt sie durch meine Frage auf.
    »Weiß Clarissa denn Bescheid, dass ich sie abholen werde?«
    Für einen Moment sah sie mich verwundert an. »Natürlich habe ich es ihr gesagt.«
    »Und? Wie hat sie reagiert?«
    Madame Ferrant zog die Augenbrauen in die Höhe. »Sie hat es hingenommen.«
    »Bitte?« Ich lächelte mokant. »Mehr nicht?«
    »Nein.«
    »Weder Ärger, Angst, Freude…«
    »Nichts dergleichen. Sie kam mir vor, als wäre sie dabei, darüber nachzudenken.«
    »Was sagte sie über den Abbé?«
    Sie hob die eckigen Schultern. »Nichts.«
    Ich glaubte der Ferrant nicht. Sie log mir etwas vor. Sie hatte mir erzählt, dass in ihrem Heim Vollund Halbwaisen aufgenommen wurden, das mochte hier und da stimmen, aber in der Regel lebten hier Kinder, deren Väter Priester waren. Das hatte sie mir wohlweislich verschwiegen.
    Ich wollte dieses Thema auch nicht ansprechen und ging hinter ihr her auf
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