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1145 - Das Haus der Selbstmörder

1145 - Das Haus der Selbstmörder

Titel: 1145 - Das Haus der Selbstmörder
Autoren: Jason Dark
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Jane kniete sich vor den Grabstein wie eine Büßerin. Sie wirkte dabei bleich wie einen Tote, die für einen Moment aus dem Jenseits zurückgekehrt war.
    Das halblange blonde Haar war nach unten gefallen und bedeckte teilweise die Seiten ihres Gesichts. Ihr Blick war und blieb starr, aber der Mund bewegte sich, und ich war in der Lage, ihre leise gesprochenen Worte zu hören.
    »Die Seele der Toten ruft mich. Ich höre sie. Ja, ich höre dich. Du kannst keine Ruhe finden, Anna. Es ist schlimm, ich weiß es. Aber jetzt bin ich bei dir. Ich bin gekommen, um dir die ewige Ruhe zu geben, Anna. Du hast genug gelitten, es ist vorbei…«
    Also doch. Jane kannte diese Anna. In welch einem verwandtschaftlichen Verhältnis sie zu ihr stand, war fraglich für mich. Ich musste mir auch eingestehen, dass auf diesem verdammten Friedhof nicht nur Männer begraben worden waren, wie ich angenommen hatte.
    Meldete Anna sich?
    Es war keine Frage, die ins Lächerliche zielte. Wir hatten oft genug erlebt, dass sich Menschen, die schon lange tot waren, irgendwann meldeten. Wir hatten sie schon als Zombies aus ihren Gräbern klettern sehen, und auch hier auf diesem verfluchten Friedhof war eigentlich alles möglich.
    Ich überlegte schon, wie ich eingreifen sollte, als Jane Collins wieder etwas sagte. »Ja, Anna, ich bin bereit. Ich habe dich nicht umsonst gesucht. Ich gehe den Weg. Du kannst mich jetzt übernehmen, Anna. Ich tue alles…«
    Übernehmen? So etwas kannte ich schon von Jack Kessler, der sich geopfert hatte.
    Auch hier sollte es so werden. Anna selbst kam nicht, sie schickte ihre Boten, um Jane zu holen. Der Boden um die Detektivin herum erlebte den Beginn einer Veränderung.
    Sie hatte auf der alten, trockenen Erde mit darin eingeklebtem Laub gekniet. Es blieb, und es entstanden keine Risse, aber die Erde bewegte sich.
    Etwas kroch nach draußen. Dabei wurde der Boden von innen aufgewühlt, und meine »Freunde« trauten sich aus ihrem Versteck hervor. Fast fingerlange, dicke, rote Würmer, die auf der Seite der verfluchten Seelen standen.
    Jane Collins tat nichts.
    Sie hielt den Kopf gesenkt. Sie schaute zu, wie der Boden das widerliche Gewürm entließ. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie die Würmer überhaupt wahrnahm.
    Auch Suko hatte gesehen, was das bedeutete. Er stand an Janes anderer Seite und mir gegenüber.
    »Jane?«, frage ich leise.
    Sie reagierte nicht. Die ersten Würmer waren schon recht nahe an sie herangekommen. Ich brauchte nur an Kessler zu denken und daran, wie sie in seine Haut eingedrungen waren.
    »Sie sind jetzt überall, John!«
    Sukos Bemerkung gab den Ausschlag. Ich packte Jane und riss sie in die Höhe. Sie war steif, sie wehrte sich im ersten Moment nicht. Erst als ich sie herumdrehte, kehrte wieder Leben in sie zurück. Sie wusste plötzlich Bescheid, und das war alles andere als gut. Ich hatte sie aus ihrer Lage gerissen, in die sie freiwillig hineingeraten war, und das konnte sie nicht verkraften.
    »Neiinnn, lass mich…« Ich hatte nicht damit gerechnet, welche Kräfte sie von einem Augenblick zum anderen entwickelte. Mit beiden Armen schlug sie um sich und erwischte mich auch. Am Hals und auch an der Brust trafen mich die Hände. Dann riss sie sich mit aller Gewalt los. Sie war zu einer Furie geworden. Sie schlug noch im Stehen um sich, während weitere Würmer aus dem Boden krochen.
    Das war der Augenblick, in dem Suko mir zu Hilfe eilte. Mit einem langen Schritt hatte er das Grab vor dem Stein überquert. Bevor Jane wieder auf die Knie fallen konnte, packte Suko zu. Er hebelte seine Arme von hinten her unter ihre Achselhöhlen hinweg und legte seine Hände vor ihrer Brust zusammen.
    So hielt er sie fest, auch wenn Jane Collins um sich schlug, aber sehr behindert war. Mit ihren Händen konnte sie kein Ziel mehr treffen, und genau das hatte ich gewollt.
    »Tu was, John!«
    »Und ob!«
    Ich sprach die Formel. Damit aktivierte ich das Kreuz. »Terra pestem teneto - salus hic maneto…«
    Das Unheil soll in der Erde bleiben. So lautete der zweite Teil der Formel. Selten war er so zutreffend gewesen wir hier…
    ***
    Der Spruch. Die Worte - das Licht!
    Weder für Jane, Suko noch für mich war es neu, aber Jane Collins fasste den Spruch anders auf. Es konnte sein, dass sie bereits unter einem fremden Einfluss stand, denn sie brüllte zuerst auf, um dann ihr Schreien in Worte zu kleiden.
    »Nein, nein… nein… sie sterben. Die Seelen vergehen. Sie können nicht erlöst werden. Sie…
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