Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn
Autoren: Ingo Behring
Vom Netzwerk:
wütete, wurde unser Angriff gestoppt. Steffen nahm Funkkontakt zu Dieter auf: «Maschinist für ersten Angriffstrupp, kommen!» Verschiedene Gespräche, teilweise durcheinander geführt, quäkten aus dem Funkgerät. Wir erhielten jedoch keine Antwort. «Maschinist für ersten Angriffstrupp, kommen!», wiederholte Steffen. «Unsere Leitung hakt irgendwo fest.» Wieder keine Antwort. Oben vor dem Haus war die Hektik wohl so groß, dass Dieter uns nicht hören konnte.
    Eigentlich ist es eine Todsünde, wenn sich ein Trupp bei einem sogenannten Innenangriff, er also in einem Gebäude auf sich allein gestellt ist, trennt. Sollte in unserem Fall Steffen oder mir etwas passieren, wäre niemand dort, der es rechtzeitig bemerken würde und den jeweils anderen retten könnte. Wir mussten aber weiterarbeiten, wir hatten schließlich nicht unendlich Zeit. Und da wir noch einige Meter vom Brandraum entfernt waren, konnten wir es vertreten, eine Ausnahme zu machen.
    Steffen fasste mich an der Schulter. «Ich bekomme keinen Kontakt. Bleib du hier», sagte er zu mir. Durch seine Atemschutzmaske klang er etwa wie Darth Vader aus
Star Wars
. «Ich taste mich am Schlauch zurück und versuche herauszufinden, wo das Problem liegt.»
    Ich nickte und hörte, wie sich seine Atemgeräusche entfernten. Ruhig blieb ich mit dem Strahlrohr in der Hand an der Kellerwand hocken und beobachtete die Umgebung durch die Kamera. Einige Fahrräder und Sperrmüll konnte ich erkennen. Das Lampengehäuse an der Decke war durch die Hitze aufgeweicht, verformte sich nach unten und wurde immer länger. Einige Kabel, die unter der Decke installiert waren, hatten sich aus den Klammern gelöst und hingen in Affenschaukeln halb herab. Am Ende des Flurs konnte ich deutlich den Türrahmen des letzten Raumes ausmachen: Dunkle Bereiche auf dem Display bedeuten kühlere Gegenstände, helle Bereiche verweisen darauf, dass etwas heiß ist. Der Türrahmen wurde fast weiß dargestellt. Dort wartete das Feuer auf uns.
    Einige Momente später hörte ich Steffen.
    «Ingo?»
    «Hier vorne. Immer noch am Rohr.»
    «Ich musste bis hinauf zum Eingang. Direkt vor der Rauchgrenze hatte sich eine Schlauchkupplung am Treppengeländer verhakt.» Er tastete sich weiter am Schlauch entlang, bis er gegen mich stieß. «Das hätten die Kollegen auch ohne unseren Hinweis sehen können», schimpfte er. «So ein Mist … Siehst du schon, wo wir hinmüssen?»
    «Ja. Etwa fünf, sechs Meter vor uns kommt aus einer Tür die Hitze. Da wird das Feuer sein», teilte ich ihm meine Einschätzung mit.
    Vorsichtig krochen wir weiter an der Kellerwand entlang, bis ich mit der Kamera durch die offen stehende Tür in den Brandraum sehen konnte. Darin war etwa einen Meter hoch Sperrmüll angehäuft und flackerte unter großer Rauchentwicklung vor sich hin. Weil der Gang vor dem Raum sehr eng war, konnten Steffen und ich nicht nebeneinander arbeiten. Also musste ich ohne seine Hilfe abwechselnd durch die Kamera erkunden, wo die Flammen aus dem Müllberg aufstiegen, um dann auf gut Glück in diese Richtung einen Wasserstrahl abzugeben. Steffen saß in der Zwischenzeit hinter mir und musste wohl oder übel ausharren.
    Die größten Flammen waren aber auch mit dieser Ein-Mann-Methode recht zügig niedergedrückt. Steffen gab zwischenzeitlich über Funk eine Rückmeldung an die Einsatzleitung: «Hier erster Angriffstrupp. Brandraum gefunden, es brennt gelagerter Sperrmüll. Das Feuer ist größtenteils gelöscht. Zum endgültigen Löschen brauchen wir aber die Belüftung, sonst können wir hier nichts sehen.» Die Antwort des Einsatzleiters war nicht so erfreulich, aber immerhin hatte man uns gehört: «Die Drehleiter mit dem Lüfter ist noch nicht eingetroffen. Die kommt vom anderen Ende der Stadt. Ihr wisst schon: Silvester, da ist viel zu tun. Sobald die aber eingetroffen ist und wir genügend Leute übrig haben, bauen wir das Gerät auf.»
    Das Ziel der Überdruckbelüftung war es, den Rauch aus Treppenhaus und Keller herauszudrücken, damit wir unter Sicht und ohne die Wärmebildkamera arbeiten konnten. Wir wollten nicht auf dem brennenden Sperrmüllhaufen herumkraxeln, ohne auch nur ansatzweise in dem völlig mit Rauch gefüllten Keller etwas erkennen zu können. Bei einem Sturz hätten wir uns zwischen den eingelagerten Kinderwagen, Schirmen und Gardinenstangen sonst was in den Körper rammen können! So fanden wir uns in einer etwas seltsamen Situation wieder: Über den Funkverkehr hörten wir, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher