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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn
Autoren: Ingo Behring
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könnt jetzt Schluss machen, wir sollen das übernehmen», sagte der Truppführer, den ich unter seiner Maske nicht erkennen konnte.
    «Okay», begrüßten wir die Neuankömmlinge. «Da drüben in der Ecke hat sich der Brand am tiefsten in den Müll gefressen. Der Schutt vor dem Regal wurde von uns schon auf links gedreht, da ist alles kalt.» Wir übergaben den Kollegen das Strahlrohr und die Wärmebildkamera und traten den Rückweg durch den rußgeschwärzten Keller an.
    Als wir aus dem Haus traten, sahen wir, wie über die Drehleiter einige Kinder aus den Wohnungen geholt wurden, eifrig fotografiert von den üblichen Katastrophenreportern. Unser Wachführer, der schon auf uns wartete, sagte lakonisch: «Die Fotos, die wir morgen in der Zeitung sehen.»
    «Klar», entfuhr es mir. «Etwas Lobbyarbeit kann uns nicht schaden, und Kinder oder Tiere gehen in der Presse immer.»
    «Da hast du wohl recht», grinste der Chef. «Wir werden jetzt übrigens von den Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr ausgelöst. In ein paar Stunden sollen wir noch einmal die Einsatzstelle kontrollieren. Anordnung vom Abteilungsleiter.»
    Wir packten unsere Ausrüstung zusammen, fuhren zurück zur Wache und machten das Löschfahrzeug für den nächsten Einsatz klar: neue Schläuche einräumen, die benutzten Geräte reinigen, den Stromgenerator wieder betanken.
    Bei der erneuten Kontrolle der Einsatzstelle, kurz vor der Ablösung gegen acht Uhr morgens, trafen wir auch auf den Mieter des ausgebrannten Kellers. Der ältere Herr mit Vollbart hatte die Nacht mit Verdacht auf eine Rauchvergiftung im Krankenhaus verbracht und begleitete uns nun in den gelüfteten und abgekühlten Keller. «Da waren noch zwei Kästen Bier drin! Sind die wohl noch zu gebrauchen?», fragte er und fingerte aus dem Brandschutt eine geschwärzte Flasche: «Mist, die ist ja noch warm. Ärgerlich.» Wir schauten uns belustigt an. Wenn das Bier die einzige Sorge des Mannes war, konnte ihm nur bewusst sein, dass seine gesammelten Habseligkeiten auch vor dem Brand nur aus Sperrmüll bestanden hatten.
    «Also, ich an Ihrer Stelle würde das Bier sowieso nicht mehr trinken», riet Steffen. «Immerhin wurde es nicht nur einmal gekocht, und an der Flasche befindet sich eine Schicht Ruß, die nicht besonders gesund ist.»
    «Und das entgangene Pfandgeld für die Kisten melden Sie dann der Hausratversicherung», lockerte ich die Situation etwas auf.
    Während unser Wachführer den Brandschutt auf letzte Glutnester absuchte, begann der ältere Herr zu plaudern: «Als ich gemerkt habe, dass es in meinem Keller brennt, bin ich hier rein und habe das Vorhängeschloss an der Tür entfernt. Damit Sie zum Löschen schnell in den Raum kommen, ohne die Tür aufbrechen zu müssen.»
    «Sie waren nach Brandausbruch noch hier im Keller?», fragte ich ungläubig.
    «Ja sicher. Ich musste doch die Tür für Sie aufschließen.»
    Bei der Gelegenheit hatte er wohl auch gleich die Brandschutztür festgeklemmt, dachte ich bei mir.
    «War denn nicht schon alles verqualmt?»
    «Doch. Aber ich weiß ja, wo mein Keller ist. Ich habe mich hier entlanggetastet, und wenn ich an diesem Mauervorsprung bin, weiß ich, dass dahinter rechts meine Kellertür ist. Dafür muss ich nicht sehen können», erklärte der alte Mann, fast schon ein wenig beleidigt.
    Wir waren entsetzt über so viel Naivität. Manche Leute scheinen noch nie davon gehört zu haben, dass Rauchgase lebensgefährlich sein können.
    Unser Wachführer klärte den Hausbewohner über den Grund auf, warum er die Nacht im Krankenhaus verbracht hatte. «Sie sagten eben, als wir vor dem Haus standen, dass Sie beim Husten so einen dunklen Auswurf hätten. Das ist der Rauch, den Sie sich in die Lungen gezogen haben und der jetzt langsam wieder herauskommt. Seien Sie froh, dass bei Ihrer Aktion alles gutgegangen ist. Sie könnten jetzt auch tot sein. Einen Moment länger im Rauch, dann wären Sie bewusstlos geworden und die Kollegen hätten Sie aus dem Keller ziehen müssen. Dann hätten Sie jetzt nichts mehr von der Rente.» Etwas pikiert zog der Angesprochene seinen Kopf ein.
    Als feststand, dass die Kollegen in der Brandnacht ordentlich gearbeitet hatten und keine Glutnester mehr im Schutt waren, fuhren wir zurück zur Wache, wo unsere Ablösung schon wartete. Mein Problem war dann noch mein Helm: Die Oberfläche war vom Ruß dunkelgrau, das Visier fast komplett undurchsichtig. Das ging ja gar nicht. Wie das aussah! Und alles von Steuergeldern
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