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1081 - Die Mutprobe

1081 - Die Mutprobe

Titel: 1081 - Die Mutprobe
Autoren: Jason Dark
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holen. Er achtete darauf, sich nicht zu stechen. Danach steckte er die Blume in die rechte Seitentasche der Lederjacke.
    Nachtwache am Grab halten. So war es vorgesehen. Eine Stunde nur, das mußte reichen.
    Mike wußte auch, wie lang eine Stunde werden konnte. Er würde hier in dieser verdammten Stille hocken und so gut wie verrückt werden. Er hätte jetzt weglaufen und den anderen erzählen können, daß er eine Stunde am Grab verbracht hatte, doch das kam ihm nicht in den Sinn. So fair war er, und er hatte auch mit Ruben Moreno, seinem Freund, abgesprochen, daß sie nachschauen würden, wenn Mandy Mannox als dritter im Bunde die Mutprobe antrat.
    Vielleicht hatten Ruben und Mannox sich ja auch abgesprochen und beobachteten ihn. Es gab einfach zu viele Unwägbarkeiten, um einen gekonnten Rückzieher zu machen.
    Er wollte bleiben und die Stunde durchhalten. Auch die würde vergehen, da war er sicher.
    Die Lampe wanderte über die Vorderseite des Grabsteins hinweg. Graues, rissiges Gestein, von Moos überwuchert. Den Namen konnte er auch dann nicht richtig lesen, als er sehr dicht an den Stein herantrat. Nur einzelne Buchstaben waren noch zu sehen, die allerdings paßten in den Namen Pretorius.
    Wer lag hier begraben? Wie mochte er jetzt aussehen? Bestimmt nur ein Haufen bleicher Knochen, denn Pretorius war eine Gestalt aus dem letzten Jahrhundert. Er hatte in dieser Gegend gelebt und Böses getan. Er war dann gestorben, doch die alten Legenden berichteten davon, daß man einen wie ihn nicht töten konnte.
    Für Mike unverständlich, nicht zu begreifen, denn er glaubte nur an das, was er sah. In diesen Minuten allerdings, in denen er auch um das Grab herumschritt, war das alles vergessen. Da drängte sich wieder das Urmenschliche in ihm hoch. Da war das, über das er sonst gelacht hatte, plötzlich bitterernst geworden.
    Beim Umkreisen der Grabstätte hatte er auch versucht, die Umgebung auszuleuchten.
    Viel war ihm nicht aufgefallen. Er hatte die anderen Grabsteine gesehen, das Licht war in irgendwelchen Büschen hängengeblieben, ansonsten war alles normal.
    Als er auf die Uhr schaute, schrak er leicht zusammen. Es war bereits fünf Minuten nach Mitternacht. Mike hatte nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Das gab ihm Hoffnung für die nahe Zukunft. Auch die Stunde würde bald vorbei sein.
    Stehenbleiben? Setzen? Sich an den Grabstein lehnen, um es bequemer zu haben?
    Ihm gingen zahlreiche Möglichkeiten durch den Kopf. Eine Stunde zu stehen, war nicht sein Fall, und so setzte er sich hin. Nicht auf das Grab, davon hielt ihn irgendein Gefühl ab. Er nahm an der Seite Platz, wobei sein Rücken Kontakt mit dem schmalen Rand des Grabsteins fand.
    Daß der Boden naß war, störte ihn nicht. Der Stoff seiner Hose war dick genug. Die Beine streckte er nicht aus, sondern winkelte sie an. Er überlegte, ob er die Lampe ausschalten sollte, dachte an die Batterie und tat es.
    Um Mike herum wurde es dunkel.
    Grau und schwarz. Nebel und Finsternis bildeten ein gruseliges Gemisch, das auch von keinem Laut gestört wurde. Jedenfalls kam ihm nichts zu Ohren. Abgesehen von hin und wieder leise raschelnden Geräuschen, die wahrscheinlich von Mäusen verursacht worden waren. Für Tiere wie sie war der Friedhof ein gutes Zuhause.
    Warten. Abwarten, bis die sechzig Minuten vorbei waren. Dann aufstehen und gehen. Froh sein, es hinter sich zu haben. Den anderen beiden von dieser Stunde erzählen. Vielleicht noch etwas hinzudichten. Geschichten von Monstren und Zombies, die sich hinter den grauen Schleiern verborgen hielten und auf eine günstige Gelegenheit warteten, ihm das Leben zu rauben.
    Er stellte sich die Dinge vor und fragte sich auch, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte. Schließlich war die Umgebung schon gruselig genug. Da brauchte er sich nicht noch derartige Gedanken zu machen.
    Etwas huschte flatternd über ihn hinweg. Ein großer Nachtvogel, der seine Schwingen ausgebreitet hatte und dicht über die Grabsteine hinwegsegelte.
    Warner war nur kurz zusammengezuckt. Ein Zeichen, daß er sich an seine Lage gewöhnt hatte. So schlimm war es wirklich nicht, wenn man die Dinge nüchtern betrachtete. Am meisten graute ihm vor der Langeweile, denn beim nächsten Blick auf die Uhr stellte er fest, daß erst acht Minuten vergangen waren. Ihm allerdings kam die Zeit dreimal so lang vor.
    Allmählich gefiel ihm auch die sitzende Position nicht. Die Kälte drang doch von unten her und war unangenehm. Er stand auf und
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