Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1079 - Station der Freien

Titel: 1079 - Station der Freien
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
blaue Streifen.
    „Du wirst es nicht wagen, die Ehre der Fahne zu verletzen", rief das fremdartige Wesen.
    Der Jauk hatte einen röhrenförmigen Körper, der den Eindruck erweckte, als sei er aus einzelnen Ringsegmenten zusammengesetzt. An seinem oberen Ende erhob sich eine halbkugelförmige Aufwölbung, auf der Dutzende von Sehröhrchen, Hörfühlern und Geschmackstastern saßen.
    „Ich habe nicht vor, die Ehre deiner Fahne zu beeinträchtigen", versuchte der Haluter ihn zu beschwichtigen. „Du sollst mir lediglich helfen."
    „Hilf dir doch selbst. Wieso komme ich dazu, mich für dich einzusetzen? Du bist viel stärker als ich", sprudelte es aus dem amphibischen Wesen hervor. Es sprach mit quäkender Stimme.
    „Ich suche meinen Freund", erklärte Icho Tolot. „Man muß ihn hier vorbeigebracht haben."
    „Ach, den meinst du!" Der Jauk beruhigte sich augenblicklich und legte die Fahne zur Seite, in die er sich eingewickelt hatte, um den befürchteten Angriff des Riesen abzuwehren. „Er ist ganz in der Nähe. Geh durch die Tür dort auf den Gang hinaus.
    Dann findest du ihn hinter der dritten Tür auf der rechten Seite."
    „Danke." Icho Tolot fühlte sich wie von einer großen Last befreit. Endlich war es ihm gelungen, den Freund aufzuspüren. Nun würde er eine Antwort auf seine Fragen erhalten.
    Sekunden später betrat er den Raum, den der Jauk ihm bezeichnet hatte.
    Bruke Tosen ruhte auf einer flachen Liege. Eine Decke verhüllte seinen Körper und ließ nur das Gesicht frei.
    Von banger Ahnung erfüllt, trat Icho Tolot an das Lager des Freundes heran, und er sah auf den ersten Blick, daß der Jarvith-Jarver tot war.
    Wie vom Schlag gerührt stand der Haluter neben dem Totenbett. Die Wangen Tosens waren tief eingefallen, und die geschlossenen Augen wirkten übergroß unter den Lidern.
    Noch jetzt zeichneten sich die seelischen Qualen, die Tosen in den letzten Wochen erlitten hatte, auf dem Gesicht ab.
    Icho Tolot schwankte.
    „Nein", brach es aus ihm hervor. „Es darf nicht wahr sein."
    Mit aller Deutlichkeit wurde ihm bewußt, wie viel Bruke Tosen ihm bedeutet hatte. Er war nicht nur irgendein Freund gewesen, der durch seine Existenz eine innere Verbindung zu Terra herstellte, sondern er war zu einer Persönlichkeit geworden, die ihm wirklich nahe gestanden hatte.
    „Warum hat Seth-Apophis das zugelassen?" fragte Icho Tolot verzweifelt. „Warum reißt sie einen ihrer Helfer aus seiner gewohnten Umgebung heraus, trennt ihn von allen Freunden, wenn sie danach keine Verwendung mehr für ihn hat? Warum wirft sie ein Menschenleben weg wie ein gebrauchtes Handtuch?"
    Erschrocken zuckte er unter dem Lärm seiner eigenen Stimme zusammen, und behutsam legte er Tosen die Hand auf die Schulter.
    „Verzeih mir, Tosenos", fuhr er leise fort. „Ich sollte Rücksicht auf dich nehmen."
    Eine Reihe von sinnlosen Lauten kam über seine Lippen. Icho Tolot stützte sich auf dem Lager ab. Er fühlte sich plötzlich alt und schwach, und ohne darüber nachzudenken, wandelte er die Molekularstruktur seines Körpers wieder zurück, so daß er zu einem Wesen aus Fleisch und Blut wurde. Es schien, als dränge es ihn zu einer Existenzform hin, in der er intensiver und nachhaltiger empfinden konnte als in jener, in der er praktisch unbesiegbar war. Seufzend ließ er sich auf den Boden sinken, als er merkte, daß die Muskelpartien seiner Beine plötzlich unkontrolliert zu zucken begannen.
    In diesen Sekunden stürzte er in eine seelische Krise, wie sie möglicherweise niemals zuvor ein Haluter erlebt hatte.
    Er preßte zwei seiner Hände vor das Gesicht und beschimpfte sich, weil er sich nicht energisch genug dagegen gewehrt hatte, daß Tosen zusammen mit ihm die Erde verlassen hatte.
    Ich hätte so oft die Möglichkeit gehabt, Bruke Tosen zurückzulassen. Aber ich habe es nicht getan. Ich habe ihn nicht aufgefordert, mich zu begleiten, aber ich habe ihn auch nicht zurückgewiesen. Ich habe es als selbstverständlich betrachtet, daß er dabei ist, und ich habe mich teilweise sogar darüber amüsiert, daß er sich vor mir fürchtete.
    Er quälte sich mit Selbstvorwürfen und suchte unwillkürlich nach einem klaren und unwiderlegbaren Beweis für seine Schuld. Doch diesen konnte er nicht finden, weil er nicht für den Tod Tosens verantwortlich war. Das aber wollte er in diesen Minuten tiefster Trauer und Verzweiflung nicht wahrhaben. Er sah sich als den Stärkeren an, der die Verpflichtung gehabt hatte, Bruke Tosen zu schützen, wo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher