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1063 - Die Nacht vor Walpurgis

1063 - Die Nacht vor Walpurgis

Titel: 1063 - Die Nacht vor Walpurgis
Autoren: Jason Dark
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behutsam auf, wie jemand, der Angst davor hat, etwas zu zertreten.
    Kevin White war ein kräftiger Mann mit dichtem, braunen Haar, das auch Teile der Ohren bedeckte. Sein Kinn sprang wuchtig hervor. Darüber zeichnete sich ein kräftiger Männermund ab, und die etwas schief gewachsene Nase sah so aus, als wäre sie in sein Gesicht eingepflanzt worden.
    Die Augen waren ebenso braun wie seine Haare. So erinnerten sie auch an den treuen Blick eines Hundes.
    Mich machte sein Hin- und Hergehen nicht nervös. Ich konzentrierte mich auf meine eigene Person, aber auch auf die unmittelbare Umgebung. Durch meine Füße hatte ich direkten Kontakt zum Erdboden. Laut Kevins Aussage sollte unter mir einiges nicht in Ordnung sein. Ich versuchte herauszufinden, ob es da eine Reaktion gab. Vielleicht ein Zittern und leichtes Vibrieren, das sich dann auch auf meine Füße und Beine übertrug.
    Nein, da war nichts zu spüren. Abgesehen vom kühlen Wind, der hier freie Bahn hatte und uns erreichte. Der Himmel hatte sich nicht verändert. Er war mit langen, grauen Wolkenstreifen bedeckt.
    Noch hatte es die Dämmerung nicht geschafft, den Tag zu vertreiben. Aber weit im Westen sah der Himmel dunkler aus. Wie eine Drohung, ein herbeiziehendes Unheil.
    Kevin White ging noch immer auf und ab, den Blick dabei nach unten gerichtet, wie jemand, der versucht, in den Hügel hineinzuschauen. Er war auch kein Vulkan, in dem es brodelte. Der Hügel war einfach ganz normal.
    Plötzlich blieb Kevin White stehen. Es sah sogar etwas kasperhaft aus, als er sein rechtes Bein vorschob, es aber nicht zurückzog, sondern in der Luft schweben ließ.
    So wie er reagierte nur jemand, der aus dem Rhythmus gebracht worden war.
    Ich schaute ihn an. »Ist was, Kevin?«
    Langsam senkte er seinen Fuß und trat auf. »Ja, ich denke schon, Mr. Sinclair. Ich habe es gehört. Nein«, verbesserte er sich. »Ich habe es gespürt.«
    »Können Sie sich genauer ausdrücken?«
    Das tat er nicht und erwiderte nur: »Es ist unter uns, John. Tief unter uns.«
    Damit konnte ich nichts anfangen. Mit weiteren Fragen hielt ich mich zurück, weil ich erst testen wollte, ob er recht hatte. Ich jedenfalls hatte nichts gespürt. Kein Vibrieren, kein Zittern und auch kein fremdes Geräusch.
    »Wie geht es weiter?« fragte ich leise. »Sie erleben das ja nicht zum erstenmal.«
    »Es wird sich verstärken, John.« Während der Antwort war er in die Knie gesunken und blieb am Boden knien. Er wollte dem Zentrum eben etwas näher sein.
    Auch in dieser Haltung blieb er nicht.
    Er bückte sich weiter und streckte den Oberkörper aus. Zuerst lag er flach auf dem Bauch. Danach zog er die Beine an und drehte den Kopf so, daß er sein rechtes Ohr auf dem Boden drücken konnte.
    Ich störte ihn nicht. Kevin White hatte etwas gespürt, aber der endgültige Beweis fehlte ihm noch.
    Sekunden verstrichen. Sie waren mit einer Spannung gefüllt, die auch an mir nicht vorbeiglitt. Ich hatte diesmal den Eindruck, daß etwas unter uns passierte.
    Lange brauchte ich nicht zu warten, bis Kevin White seinen Kommentar abgab.
    »Es ist da…«
    Ich beugte mich vor. »Was genau?«
    »Das alte Herz!« Er blickte mich jetzt an. Sein Gesicht zeigte einen staunenden Ausdruck, und die Augen waren leicht verdreht.
    »Ja, es ist da, John. Es schlägt…«
    »Sie hören das?«
    »Bum… bum … bum …«, flüsterte er. »Leise Schläge, aber durchaus zu hören.«
    Bisher hatte ich mich nur auf seine Aussagen verlassen. Das sollte sich ändern, denn auch ich wollte hören, ob Kevin White mit seiner Vermutung recht hatte.
    So verließ auch ich meinen Platz, kniete mich zuerst, bevor ich mich streckte. Wie Kevin hielt auch ich mein Ohr an den Boden. Es war nicht einfach, den fremden Herzschlag zu hören, denn zunächst bekam ich nichts mit. Abgesehen von einem anderen und sehr normalen Herzschlag, denn der gehörte zu mir.
    Ich mußte auf jeden Fall ruhiger werden und meine Nervosität zurückdrängen. Das gelang mir recht gut, und dann bekam ich mit, was Kevin gemeint hatte.
    Leise Geräusche drangen aus der Tiefe des Hügels an mein Ohr.
    Die Laute hatten tatsächlich etwas mit einem Vibrieren gemein, das auf dem Weg von unten nach oben drang.
    Auch die Schläge filterte ich hervor. Regelmäßig. Wie das Schlagen eines gesunden Herzens. Eben zu vergleichen mit dem eines Menschen, der lebendig begraben und noch nicht gestorben war, dessen Herz aber weiterschlug, bis es endgültig aufhörte.
    Bum… bum … bum …
    Immer
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