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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch
Autoren: Edgar Wallace
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lebend wiederzusehen.«
    Totty schluckte.
    »Ich danke Ihnen für diese Sympathiekundgebung«, brummte er. »Woher hat der Kerl denn die Waffe?«
    »Die hat er Brooks heute abend abgenommen. Das war das erste, was der Diener berichtete, als er wieder zu sich kam. Er hat alles eingestanden, aber ich wußte ja schon Bescheid.«
    »Wissen Sie denn, wer es ist?«
    Tanner nickte.
    »Ja. Als mir Lord Lebanon erzählte, daß sie ihm ein Schlafmittel in den Whisky geschüttet hätten, lag der Fall für mich klar. Zufällig kannte ich auch das Schlafmittel, das sie benützten.«
    Der Chefinspektor legte Totty die Hand auf die Schulter.
    »Wenn wir heute ohne weiteren Zwischenfall durchkommen, bitte ich morgen den Polizeipräsidenten, Sie zu befördern. Es geht mir zwar gegen den Strich, daß Sie Inspektor werden sollen, aber schließlich muß es doch einmal geschehen.«
    Totty lächelte bescheiden.
    »Lady Lebanon ist in ihrem Zimmer«, fuhr Tanner fort, »und will nicht herunterkommen. Ich glaube, ihr Widerstand ist bald gebrochen. Früher oder später muß das ja eintreten – hallo, Ferraby, was machen Sie denn?«
    Der junge Sergeant kam aufgeregt näher.
    »Ich kann sie nirgends finden –«
    »Geben Sie sich weiter keine Mühe. Miss Crane ist in Gilders Zimmer und schläft. Vor ein paar Minuten habe ich sie selbst dort gesehen. Hier ist der Schlüssel zu dem Raum.«
    »Was, in Gilders Zimmer?« fragte Ferraby atemlos. »Und Sie haben den Schlüssel abgezogen?«
    Tanner nickte.
    »Sie ist nicht in unmittelbarer Gefahr, und ich hoffe, es wird ihr nichts geschehen.«
    »Gott sei Dank!« erwiderte Ferraby. »Das waren die schlimmsten Augenblicke meines Lebens. Lord Lebanon wollte übrigens wissen, was das alles zu bedeuten hätte, aber ich habe es ihm nicht gesagt. Ich traf ihn vor der Tür zu dem Zimmer seiner Mutter. Nachher sagte er mir, daß sie ihn nicht hineingelassen hätte.«
    »Lady Lebanon hat auch allen Grund, allein zu bleiben. Wo ist der Lord?«
    Kaum hatte er diese Frage geäußert, als der junge Mann selbst mit wirren Haaren die Treppe heruntereilte. Allem Anschein nach war er aus dem Schlaf geweckt worden, denn er trug einen Morgenrock über dem Pyjama und erschien ohne Schuhe und Strümpfe.
    »Sie werden sich erkälten«, meinte Tanner lächelnd. »Und das hat keinen Zweck.«
    »Meine Mutter will nicht mit mir reden –«, begann Willie.
    »Sie hat heute abend auch schon zuviel Aufregung gehabt«, versuchte Tanner ihn zu beruhigen. »Ich würde mir deshalb keine Sorgen machen. Totty, gehen Sie doch einmal hinauf und fragen Sie Lady Lebanon, ob sie nicht herunterkommen möchte. Sagen Sie ihr, daß ich es wünsche. Ferraby, beruhigen Sie die Dienerschaft und schicken Sie die Leute zu Bett.«
    Der Chefinspektor blieb mit dem jungen Lord allein, wie er es beabsichtigt hatte.
    »Wo ist denn Isla? Ich war in ihrem Zimmer, fand sie aber nicht. Um Himmels willen, die Sache wird immer schlimmer!«
    »Ja, das ist wahrscheinlich der Höhepunkt.«
    Tanner glaubte in Wirklichkeit aber, daß der Höhepunkt erst kommen würde, wenn sich Lady Lebanon zeigte. Welchen Ausweg würde sie suchen? Würde sie sich das Leben nehmen?
    »Was hat das alles eigentlich zu bedeuten?« fragte der junge Lord ungewöhnlich entschieden. »Vergessen Sie bitte, daß ich ein ziemlich weicher, leicht zu beeinflussender Mensch war und allen Leuten erlaubte, mich zu leiten und mein Leben zu lenken. Ich habe mich jetzt endlich entschlossen, die Führung selbst in die Hand zu nehmen und von diesem abscheulichen Schloß wegzugehen. Marks Priory fällt mir tatsächlich auf die Nerven. Wissen Sie auch, wer in dem Zimmer ist, das sie nicht öffnen wollte? – Meinen Vater hält sie dort gefangen! Ich bin gar nicht Lord Lebanon.«
    Tanner starrte ihn verblüfft an. Diese Enthüllung hatte er nicht erwartet. Aber dann unterdrückte er sein Erstaunen.
    »Er war der Mann, der all diese Unruhe verursacht hat«, fuhr Willie Lebanon fort. »Jetzt ist er fort – ich wette, daß er viele Meilen entfernt ist. Er konnte ins Haus kommen und gehen, wann er wollte. Da staunen Sie, was?«
    »Das muß ich zugeben«, entgegnete Tanner ruhig. Willie saß im Stuhl seiner Mutter und hatte die Hände gefaltet.
    Tanner schob einen Sessel an die andere Seite des Tisches und setzte sich ihm gegenüber.
    »Immer hat sie von der Familie geredet und von den Ahnen – ich mag kein Wort mehr davon hören!« Willie lehnte sich vor. »Meinen Sie nicht auch, daß es jetzt Zeit ist,
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