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1009 - Kometen-Geister

1009 - Kometen-Geister

Titel: 1009 - Kometen-Geister
Autoren: Jason Dark
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»Ist was?« rief die Frau.
    »Ja, ich suche meinen Sohn.« Carol ging auf die beiden zu. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gestört habe, aber Brian ist plötzlich verschwunden. Er hat mir nicht gesagt, wohin er gegangen ist und…«
    »Hat er halblange, braune Haare und trägt Jeans, dazu auch dicke Turnschuhe?« erkundigte sich der Mann, dessen Augen unnatürlich blau waren.
    »Ja, das stimmt.«
    »Dann haben wir ihn gesehen, nicht wahr, Edda?«
    »Haben wir.« Die Frau nickte, bevor sie an ihren Lockenwicklern zupfte, die noch in den Haaren steckten.
    »Wo ist er denn hingelaufen?«
    »Zum Waldrand.«
    Carol erschrak noch einmal. »Bitte? Was haben Sie da gesagt? Zum Waldrand?«
    »Klar, wenn Ihnen meine Frau das doch sagt.«
    »Das verstehe ich nicht«, flüsterte Carol. »Das will nicht in meinen Kopf hinein. Was will er denn am Waldrand?«
    »Viele Jungen gehen noch gern in den Wald«, sagte Edda. »Daran haben auch die Computerspiele nichts ändern können. Zum Glück nicht.«
    »Stimmt, irgendwo haben Sie recht. Jedenfalls bedanke ich mich bei Ihnen. Ich werde mal nachschauen.«
    »Ja, tun Sie das.«
    Carol war trotz der Auskunft nicht weniger beunruhigt. Es konnte ihr nicht gefallen, daß sich ihr Sohn in einem Wald herumtrieb. Das wollte ihr nicht in den Kram passen. Er war ja scharf auf das Wasser gewesen, auf das Fahren mit dem Boot, auf alles, was damit im Zusammenhang stand, doch diese Dinge waren ihr jetzt zunächst einmal aus dem Kopf.
    Sie lief auf den Wald zu. Plötzlich kam er ihr nicht mehr so licht und freundlich vor. Er war für sie zu einem düsteren Flecken Erde geworden, vergleichbar mit einer riesigen Höhle, in die man eintauchen konnte, und wo zahlreiche Gefahren lauerten.
    Ihr Herz klopfte schneller. Ihre Kehle war ziemlich eng geworden. Sie hatte Mühe, Atem zu schöpfen.
    Bei diesem Wetter schwitzte man nicht. Bei ihr war es trotzdem der Fall. Der Schweiß bildete Tropfen, und die rannen über ihr Gesicht. Die Füße trommelten auf dem Boden. Sie spürte die Spannung in ihrem Nacken, und sie merkte ebenfalls, wie sich ihr Magen zusammenzog. Noch immer kam sie nicht damit zurecht, daß Brian sich im Wald versteckt hielt. Was tat er dort? Hatte man ihn vielleicht gelockt? War er freiwillig hineingelaufen?
    Es gab eine scharfe Trennung zwischen der normalen Rasenfläche und dem Wald. Die Planer hatten ein Stück der Natur so gelassen, damit aus dem Boden auch weiterhin die hüfthohen Büsche wachsen konnten, an denen im Sommer die Brombeeren hingen.
    »Brian!«
    Carol schrie den Namen des Jungen in den Wald hinein. Ihre Stimme verlor sich zwischen den Bäumen. Sie fing noch stärker an zu zittern, weil sie kein Echo hörte.
    Über die Unebenheiten des Bodens stolperte Carol hinweg, während sie der Waldrand anzog wie ein Magnet das Eisen. Sie wurde das bedrückende Gefühl nicht los, daß etwas passiert war. Der Wald war zu düster. Zudem war es Brian nicht gewohnt, dort zu spielen. Vielleicht war er ausgerutscht und gefallen. Dabei konnte er sich den Kopf so hart gestoßen haben, daß er jetzt hilf- und bewußtlos am Boden lag und sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen konnte.
    Der Untergrund veränderte sich, er wurde noch weicher, beinahe schon schwammig.
    »Brian!« schrie die Frau. Nein, sie schrie nicht mehr, sie keuchte nur noch. Die Stimme schien man in ihren Kehlkopf zurückgedrückt zu haben, und die verdammte Angst nahm noch immer zu. Mit müden Bewegungen stolperte sie weiter. Sie drehte dabei den Kopf, um soviel wie möglich zu sehen, aber die Gegend tanzte vor ihren Augen. Die Bäume und niedrigen Hölzer schienen sich in Gespenster verwandelt zu haben, die allesamt um sie herumirrten, ohne daß sie direkt von ihnen angegriffen wurde.
    Ein krumm gewachsener Baum, dessen Wurzelwerk sich bis an die Oberfläche geschoben hatte, bot ihr Halt. Carol hatte den rechten Arm angehoben und die Hand um einen starken Ast geklammert.
    So hatte sie zumindest Halt gefunden.
    Sie konnte nicht mehr reden, nur noch keuchen. Der Lauf und das viele Rufen hatten sie geschafft.
    Der Schweiß war aus allen Poren gedrungen, und sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
    Aber Brian war nicht da.
    Carol wartete. Sie wollte wieder zu Kräften kommen, um danach noch einmal von vorn zu beginnen. Einige Minuten nur, nicht länger, dann war wieder alles okay.
    Saugend holte sie Luft. Sie richtete sich auf, ohne den Ast loszulassen.
    Und dann hörte sie die Stimme.
    Leise, zugleich weinerlich
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