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1.000 Euro für jeden

1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
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sogar auf
die Tagesordnungen von Parteitagen gesetzt – allerdings an sehr
unprominenter Stelle. Die Strategien zur Vermeidung der ernsthaften
Auseinandersetzung mit dem Gedanken variieren in den Parteien, aber einig sind
sich alle: Ein Grundeinkommen müsse in jedem Fall an Bedingungen geknüpft sein,
die Bedürftigkeitsprüfung als Folterwerkzeug müsse also bleiben. Bedingungslos?
Würdige Existenz ein Menschenrecht? Na, wo käme man denn da hin!
    Klassische
Grundeinkommensdebatten
    Vielleicht
lehnen Sozialdemokratie und Die Linke hierzulande die Grundeinkommensidee ab,
weil sich Marx und Engels nicht für die Trennung von Arbeit und Einkommen und
damit auch nicht für ein Grundeinkommen eingesetzt haben, obgleich sie davon
gewusst haben müssen, denn die Idee wurde in ihrem unmittelbaren Umfeld
diskutiert. Die deutsche Sozialdemokratie wurde schon von ihrem Begründer
August Bebel von Anfang an auf einen donnernden Arbeitsethos verpflichtet. So
zitierte der ehemalige Parteivorsitzende Franz Müntefering 2006 in einer
Auseinandersetzung mit dem Parteilinken Ottmar Schreiner den Gründungsvater:
»Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht
arbeitet, soll auch nicht essen. […] Ohne Arbeit kein Genuss, keine Arbeit ohne
Genuss.« Dass sich Bebel dabei jedoch als nicht bibelfest erwies, werden wir an
anderer Stelle erläutern. Aber ganz offensichtlich war er kein Freund von
bedingungslos gezahlten Staatsrenten.
    Nur der
weniger bekannte Sozialist Paul Lafargue machte sich im 19. Jahrhundert
für ein Grundeinkommen stark. Der französische Publizist war mit der
Marx-Tochter Laura verheiratet und wurde von seinem Schwiegervater wenig
geschätzt. Bekanntheit erlangte er mit einem Text, den er nach der Pariser
Februarrevolution 1848 als Antwort auf die Forderung nach einem Recht auf
Arbeit formulierte und provokativ mit »Das Recht auf Faulheit« betitelte. Seine
These: Nur eine bedingungslose Grundsicherung mache Freiheit und Gleichheit für
alle wirklich möglich.
    Ein
Gedanke, den im zwanzigsten Jahrhundert der britische Mathematiker und
Philosoph Bertrand Russell aufnahm. In Anlehnung an Lafargue nannte er sein
Plädoyer zum Grundeinkommen »Lob des Müßiggangs«. Beide argumentieren, dass die
Gesellschaft sich auch anders als über Lohnarbeit definieren könnte und müsste,
und bewerten den vermeintlichen Müßiggang als Freiraum zu Kreativität und
gesellschaftlichem Engagement positiv.
    In den
1970er Jahren erlebte die Diskussion unter dem Begriff der »negativen
Einkommensteuer« neuen Aufwind. Diese Besteuerung gehorcht einer einfachen und
nachvollziehbaren Logik: Sie reguliert sich über einen definierten
Grundfreibetrag. Wer mehr verdient, zahlt Steuern, wer weniger verdient,
bekommt Geld vom Staat – und zwar jeweils linear wachsend. Auf diese Weise
würden alle Bürgerinnen und Bürger in gleicher Weise von einer staatlichen
Grundsicherung profitieren. Den eher uninspirierten Begriff hatte die britische
Ökonomin Lady Juliet Evangeline Rhys-Williams bereits in den 1940er Jahren
geprägt. Neben der Europapolitik, der Gesundheitsökonomie und der Medienpolitik
beschäftigte sie auch eine gerechte Steuerpolitik, und das, was sie negative
Einkommensteuer nannte, glich prinzipiell der Idee des Grundeinkommens
vorheriger Jahrhunderte.
    Idee
und Begriff übernahm in den 1960ern Wirtschaftsnobelpreisträger Milton
Friedman, der als klassischer Liberaler stets die Minimierung der
Staatsaufgaben und Vereinfachung der Steuersysteme gefordert hatte. In seinem
Buch »Chancen, die ich meine – Free to Choose« erläutert er detailliert
die Koppelung der Steuerzahlungen an das Erwerbseinkommen. Dabei zeigt er
exemplarisch, wie eine linear gedachte Einkommensteuer einerseits mit
wachsendem Lohneinkommen zu wachsenden Steuerzahlungen führt, zugleich aber
auch – gesetzt den Fall, man billigt allen ein steuerfreies Mindesteinkommen
zu – dazu führen muss, dass Menschen ohne Einkommen quasi eine negative
Steuerschuld aufbauen. Nehmen wir an, Einkommen bis tausend Euro wären
steuerfrei, ansonsten werden fünfzig Prozent Steuern fällig. Wer also 1500 Euro
verdient, muss von den 500 Euro, die er mehr verdient, 250 Euro als Steuern an
den Staat abführen. Wer zweitausend Euro verdient, zahlt 500 Euro, und so
weiter. Dann aber müssten diejenigen, die nur 500 Euro verdienen, theoretisch
nicht einfach keine Steuern bezahlen, sondern 250 Euro von Staat erhalten; und wer gar
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