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10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei
Autoren: Jules Verne
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dagegen – die
    ich respektvoll einen nach dem andern weckte –, legten
    brummend meiner Neophyten-Ungeduld Zaum und Zügel
    an. Sie wußten, die Spitzbuben, daß man dem Rebhuhn bei
    gerade erst anbrechendem Tag, wo seine Flügel noch tau-
    feucht sind, schwer beikommen kann, und daß es, wenn es
    dann einmal davonflattert, wenig Neigung spürt, in das Re-
    vier zurückzukehren.
    Es galt also zu warten, bis die Sonne alle Tränen des
    Morgenrots hinweggeküßt hatte.
    Endlich, nach ziemlich sum-
    marischem Frühstück, dem der
    unausbleibliche ›Morgenpfiff‹ die
    nötige Würze verlieh, verließ die
    Gesellschaft,
    sich
    überall
    noch
    nach-
    träglich krat-
    zend, den Gasthof und begab sich nach
    der Feldmark, wo das reservierte Jagd-
    revier anfing.
    Eben als wir deren Grenze erreich-
    ten, zog mich Brétignot auf die Seite
    und sagte:

    — 16 —
    »Halten Sie Ihre Flinte schräg, die Mündung nach der
    Erde gerichtet, und achten Sie darauf, daß Sie niemand tot-
    schießen.«
    »Ich werde mein Bestes tun«,
    antwortete ich, »ohne gerade
    eine Garantie geben zu wollen,
    doch wenn einer erst auf mich
    schösse, dann könnte ich wohl
    . . .«Brétignot zuckte verächtlich
    die Achseln, und nun ging’s an
    die Jagd – jeder nach seinem
    Gutdünken.
    Es ist ein abscheuliches
    Stückchen Land, dieses Hériss-
    art, das bezüglich des allgemei-
    nen Charakters seinem Namen
    wenig Ehre macht. Doch scheint es, daß, wenn es auch nicht
    Wildreichtum bietet, wie etwa Mont-sous-Vaudrey, doch
    die Dickichte gut bevölkert sind; daß es hier Hasen gab,
    versicherte Matifat, und daß man sie hier »mehr als Zwölf
    aufs Dutzend« habe umherspringen sehen, fügte Pontcloué
    hinzu.
    Mit der Aussicht auf so reiche Beute waren die wackeren
    Leute vorläufig alle in bester Laune.
    Es ging also vorwärts. Das Wetter – herrlich. Schon
    blitzten einzelne Sonnenstrahlen durch die Morgennebel,
    die sich am entfernten Horizont zusammenballten. Über-

    — 17 —
    all Schreien, Piepen, Glucksen! Da flatterten verschiedene
    Vögel aus den Furchen auf und stiegen gerade zum Him-
    mel empor, wie Helikopteren, deren Feder plötzlich los-
    schnellte.
    Kaum imstande, mich zu beherrschen, legte ich wieder-
    holt die Flinte an.
    »Schießen Sie nicht, schießen Sie nicht!« rief mir Freund
    Brétignot zu, der mich unbemerkt im Auge behielt.
    »Warum? Sind das keine Wachteln?«
    »Nein, Lerchen! Schießen Sie nicht!«
    Es versteht sich von selbst, daß Maximon, Duvauchelle,
    Pontcloué, Matifat und die beiden andern mich mit so man-
    chem maliziösen Seitenblick beehrten. Dann schlugen sie
    sich klüglich seitwärts mit ihren Hunden, welche, die Nase
    nach unten gerichtet,
    die Luzerne, Espar-
    sette und den Klee ab-
    suchten, und deren er-
    hobene Schwänze wackelten, wie ebensoviele Fragezeichen,
    die ich nicht zu beantworten gewußt hätte.
    Ich gewann die Vorstellung, daß jene Herren nicht ge-
    rade darauf versessen waren, sich in der gefahrdrohenden
    Zone eines Novizen aufzuhalten, dessen Flinte ihnen einige
    Angst wegen ihrer Schienbeine einflößen mochte.
    »Donnerwetter, so halten Sie doch Ihren Schießprügel
    wie’s sich gehört!« wiederholte auch Brétignot, ehe auch er
    sich davonmachte.
    »Nun, ich halte die Flinte nicht schlechter als die an-
    — 18 —
    dern!« erwiderte ich etwas verletzt über diesen Überfluß an
    guten Ratschlägen.
    Noch einmal zuckte Brétignot die Achseln und wandte
    sich dann nach links. Da es mir nicht paßte, ganz allein zu-
    rückzubleiben, beschleunigte auch ich meine Schritte.
    V
    Ich hatte meine Jagdkameraden eingeholt; um sie jedoch
    nicht weiter zu beunruhigen, trug ich das Gewehr auf der
    Schulter, den Kolben aufwärts.
    Wie prächtig waren sie anzuschauen, die Profijäger in
    ihrem Jagdhabit, der weißen Weste, den weiten Samthosen,
    den großen nagelbeschlagenen Schuhen, deren Sohlen das
    Oberleder überragten, mit leinenen Gamaschen über den
    wollenen Strümpfen, die vor denen aus Zwirn oder Baum-
    wolle den Vorzug verdienen, weil diese zu leicht Schrunden
    erzeugen, wie ich gar zu bald feststellen sollte. Ich befand
    mich überhaupt bei weitem nicht so wohl unter meinem
    Gelegenheitsharnisch; doch man kann von einem Debütan-
    ten nicht verlangen, daß er die Garderobe eines alten Ko-
    mödianten besitzt.
    Von Wild sah ich indessen nichts. Daß es in diesem Re-
    vier große Mengen von Wachteln und Wachtelkönigen,
    von Rebhühnern, Januarhasen gäbe, die meine Gefährten
    als
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