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10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei
Autoren: Jules Verne
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als zuwenig. Wer weiß . . . ein Körnchen mehr ret-
    tete mich vielleicht vor dem Schneiderwerden! Das Ganze
    stopfte ich fest, stopfte, daß ich beinah die Schwanzschraube
    des Gewehrs sprengte, und endlich – o Unklugheit! – ver-
    sah ich den Zündstift des geladenen
    Laufs auch noch mit dem notwendi-
    gen Zündhütchen.
    Nach vollbrachtem Werk ging’s
    nun an den rechten Lauf, aber wäh-
    rend ich dessen Ladung festschlug –
    welcher Krach! Ein Schuß ging los!
    . . . die ganze erste Ladung blitzte mir
    an der zweiten Ladung vorbei! . . . Ich
    hatte vergessen, den Hahn des linken
    Laufs auf das Zündhütchen herabzu-
    lassen, und eine Erschütterung hatte
    gereicht, ihn auszulösen!
    Das mögen sich Neulinge hinter die Ohren schreiben!
    Beinah hätte ich die Eröffnung der Jagd im Departement
    der Somme mit einem beklagenswerten Unfall begangen.
    Da hätten die Lokalblätter fetten Stoff für ihre Rubrik ›Ver-
    schiedenes‹ gehabt!
    — 23 —
    Und doch, wenn in dem Augenblick, wo der Schuß hi-
    nausdonnerte . . . wenn ja, dieser Gedanke kam mir wirk-
    lich – nun in der Richtung, welche die Schrotladung nahm,
    gerade ein Stück Wild vorübergeflogen wäre, hätte ich’s
    doch unzweifelhaft erlegt! . . . Das war vielleicht eine Gele-
    genheit gewesen, die nicht wiederkehrte.
    VI
    Inzwischen hatten Brétignot und seine Gefährten die kleine
    Anhöhe erreicht. Hier angekommen, berieten sie über Mit-
    tel und Wege, ihr Mißgeschick zu beschwören. Ich schloß
    mich ihnen wieder an, nachdem ich mein Gewehr wieder
    geladen hatte, diesmal mit größter Vorsicht.
    Da sprach mich Maximon an, das heißt in einem Ton,
    wie er einem Meister zukam.
    »Sie haben geschossen?« sagte er.
    »Ja! . . . das heißt . . . ja! . . . ich habe geschossen . . .«
    »Ein Rebhuhn?«
    »Gewiß ein Rebhuhn!«
    Um nichts in der Welt hätte ich vor diesem Areopag
    meine Ungeschicklichkeit eingestanden.
    »Und wo ist dieses Rebhuhn?« fragte Maximon, meine
    leere Jagdtasche mit dem Ende seines Gewehrs berührend.
    »Verloren!« versicherte ich mit frecher Stirn. »Was mei-
    nen Sie! Ich hatte ja keinen Hund. Ja, wenn ich einen Hund
    gehabt hätte!«

    — 24 —
    Nun, bei einem so vielversprechenden Anfang kann’s ei-
    nem doch nicht fehlen, ein richtiger Jäger zu werden.
    Da rettete mich glücklich eine unerwartete Unterbre-
    chung. Pontcloués Hund hatte in einer Entfernung von
    kaum 10 Schritten eine Wachtel aufgejagt. Unwillkürlich,
    wenn man will, aus reinem Instinkt
    legte ich an und . . . Peng! – wie Mati-
    fat sagte . . .
    Da kriegte ich aber eine Ohrfeige
    zur Strafe für meine fehlerhafte Ge-
    wehrhaltung, ja, eine Ohrfeige, für die
    man nur niemand anderen verantwort-
    lich machen kann. Dem Krachen mei-
    nes Gewehrs folgte sofort das eines an-
    deren, nämlich der Flinte Pontcloués.
    Durchlöchert wie ein Sieb fiel die Wachtel zur Erde, und
    der Hund überbrachte sie seinem Herrn, der sie mit aller
    Gemütsruhe in seine Jagdtasche versenkte.
    Man tat mir nicht einmal die Ehre an, zu vermuten, daß
    ich an diesem Mord doch auch einen gewissen Anteil haben
    könnte. Doch ich sagte nichts, ich wagte nichts zu sagen. Es
    ist bekannt, daß ich von Natur schüchtern bin gegenüber
    Leuten, die von einer Sache mehr verstehen als ich.
    Meiner Treu, dieser erste Erfolg hatte den anderen wü-
    tenden Wildverwüstern ordentlich Appetit gemacht. Man
    stelle sich einmal vor: Nach 3stündigem Jagen 1 Wachtel
    auf 7 Jäger! Nein, es war unmöglich, daß dieses reiche Jagd-
    revier von Hérissart nicht noch eine andere enthalten hätte,

    — 25 —
    und wenn es gelang, die zu erlegen, dann kam doch schon
    fast eine Drittel Wachtel auf jeden Kombattanten.
    Nach Übersteigung der Höhe gelangte die Gesellschaft
    wieder auf frisch bearbeitetes Land. Mir sagten diese Fur-
    chen, die einen zu unförmlichen Schrit-
    ten zwingen, die Erdschollen, die sich an
    die Füße kleben, nicht im geringsten zu;
    ich ziehe ihnen den Asphalt der Boule-
    vards denn doch bei weitem vor.
    So wanderte unsere Gesellschaft mit
    ihrer Meute 2 volle Stunden, ohne etwas
    zu sehen. Schon runzelten sich die Au-
    genbrauen. Eine Art wilde Reizbarkeit
    machte sich über alles und über nichts
    bemerkbar, ob ein Jäger nun mit dem
    Fuß gegen einen Klotz stieß oder ein Hund den anderen
    überholte. Kurz, es wurden allerhand Zeichen schlechter
    Laune sichtbar.
    Endlich fliegen, 40 Schritte von uns entfernt, aus einem
    Zuckerrübenfeld Rebhühner auf. Ich wage
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