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10 - Das Kloster Der Toten Seelen

10 - Das Kloster Der Toten Seelen

Titel: 10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Autoren: Peter Tremayne
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kaum etwas erkennen.
    Da Bruder Cyngar das Kloster schon mehrere Male besucht hatte, kannte er sich hier gut aus und trat nun durch eine kleine Tür, die zum Wohntrakt führte, wie er wußte. Die Mönche verbrachten die Nacht in einem großen Schlafsaal, der jetzt vor ihm lag. Die Betten wirkten unberührt. Sie schienen entweder sehr früh aufgestanden zu sein und hatten sie gerichtet, oder sie waren in der letzten Nacht überhaupt nicht schlafen gegangen.
    Während Bruder Cyngar zwischen den leeren Bettreihen umherwandelte, wurden seine Lippen immer trockener, und seine Unruhe nahm zu. Irgend etwas riet ihm, sich ganz leise über den Steinfußboden zu bewegen.
    Hinter dem Schlafsaal befand sich das Refektorium, der Speisesaal des Klosters.
    Auch der wirkte wie ausgestorben, das hatte er schon vermutet. Doch auf welche Weise leer und verlassen er ihn vorfinden würde, das hatte er nicht geahnt. Ein paar rußig flackernde Kerzen erleuchteten den Saal, und zu seiner Überraschung sah Bruder Cyngar, daß die Tische alle gedeckt waren und sich auf jedem Holzteller noch die halb verzehrten Speisen befanden. Messer und Löffel lagen so herum, als wären die Mönche bei ihrer Mahlzeit gestört worden. Neben den Gedecken standen Becher mit Wasser oder Wein.
    Plötzlich schreckte Cyngar nervös auf und ließ seinen Schlehdornstock mit lautem Gepolter zu Boden fallen. Auf einem Tisch unweit von ihm zog eine schwarze Ratte etwas von einem Teller herunter und huschte mit ihrer Beute davon. Bruder Cyngar preßte die Lippen fest aufeinander, dann beugte er sich nach unten, um seinen Stock aufzuheben.
    Nirgendwo sah er ein Anzeichen, das erklärt hätte, warum die Mönche die Tafel so überstürzt verlassen hatten. Es gab keine Unordnung, Stühle und Bänke waren zurückgeschoben, als hätten sich alle ganz normal erhoben, nichts deutete darauf hin, daß sie das Refektorium hektisch oder in Panik verlassen hätten. Bruder Cyngar ging zwischen den Tischen auf und ab und suchte nach Hinweisen, die den Anblick, der sich seinen ungläubigen Augen bot, hätten erhellen können.
    Ihm fiel auf, daß die Kerzen fast heruntergebrannt waren, also hatte man sie lange vor seinem Eintreffen angezündet, an ein oder zwei Stellen war das Kerzenwachs auf den Tisch gelaufen. Es muß sich um das Abendessen handeln, dachte Bruder Cyngar, also müssen die Mönche vor Beendigung ihrer Mahlzeit einfach aufgestanden sein, alles ordentlich hinterlassen haben und … und einfach verschwunden sein! Bruder Cyngar begann vor Angst zu zittern.
    Dann nahm er all seinen Mut zusammen und machte sich daran, die restlichen Gebäude des Klosters abzusuchen, eines nach dem anderen. Die Räume des Klostervorstehers waren ordentlich und sauber, sein Bett war unberührt, und auch hier gab es keine Anzeichen für einen Tumult oder einen plötzlichen Aufbruch. Das kleine Skriptorium wirkte ebenfalls aufgeräumt, die Bücher standen in Reih und Glied in den Regalen. Draußen, auf der anderen Seite des Innenhofs, in den Lagerräumen, befand sich ebenfalls alles an seinem Platz, und als der junge Mönch die Stallungen betrat, hatte auch dort alles seine Ordnung.
    Erst als er wieder über den Hof zur Kapelle zurückeilte, wurde ihm bewußt, was das zu bedeuten hatte. In den Ställen fehlten die Tiere, weder Hühner, Schweine noch Kühe oder Schafe, selbst die beiden Maulesel, die im Kloster gehalten wurden, waren da. Sie waren wie die Mönche allesamt wie vom Erdboden verschluckt.
    Bruder Cyngar hielt sich für einen logisch denkenden jungen Mann. Er war der Sohn eines Bauern, so schnell ließ er sich nicht in Angst und Schrecken versetzen. Ehe die Furcht die Oberhand gewann, müßten erst einmal alle Fakten und möglichen Deutungen untersucht und genauer in Augenschein genommen werden. Vorsichtig näherte er sich dem Haupttor und suchte dabei mit den Augen den Boden ab, als würde er dort auf Hinweise stoßen, die die Flucht der Mönche und der Tiere erklärten. Die Kühe und Maulesel würden vor dem Tor sicher Spuren hinterlassen haben. Doch im weichen Boden war nichts zu sehen. Er entdeckte ein paar tiefe Wagenspuren, aber das war nicht ungewöhnlich. Viele Bauern der Umgebung trieben regelmäßig mit dem Kloster Handel. Die Wege nach Norden und Westen waren steinig, also würden dort die Fährten rasch verschwinden. Er konnte ein paar Abdrücke von flachen Sandalen, wie sie die Mönche trugen, erkennen, aber sonst so gut wie nichts. So blieb ihm nur der Schluß, daß die
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