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10 - Das Kloster Der Toten Seelen

10 - Das Kloster Der Toten Seelen

Titel: 10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Autoren: Peter Tremayne
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auf die Schultern zu Boden riß. Er stürzte nach vorn auf Hände und Knie. Mühsam rang er nach Luft.
    Hinter einem Baum war ein stämmiger Mann hervorgetreten, der eine dicke Holzkeule in Händen hielt. Er war dunkel, untersetzt und trug einen Vollbart. Nun stand er breitbeinig über dem Jungen, die Keule erhoben, gewaltbereit und bedrohlich.
    »Steh auf, Idwal«, brummte der Mann finster. »Sonst schlage ich noch einmal zu.«
    Der Junge blickte auf, seine Schulter schmerzte. »Was willst du von mir, Fürst Gwnda?« jammerte er. »Ich habe dir nichts getan.«
    Der Mann runzelte böse die Stirn. »Keine Widerrede, Bursche!«
    Er zeigte auf den Weg hinter sich, auf die Leiche des Mädchens. Da tauchte unter den Bäumen hervor eine Gruppe von Männern auf und lief nun den Waldweg entlang.
    »Hierher!« rief der dunkelhaarige Mann. »Hierher, Leute! Ich habe ihn. Ich habe den Mörder.«
    Die Meute rannte auf den knienden Jungen zu, der vor Angst zu weinen anfing.
    »Bei der Heiligen Jungfrau, ich schwöre, ich habe sie nicht …«
    Einer der Männer, die ihn zuerst erreichten, schlug ihm seitlich auf den Kopf. Nun völlig zu Boden gestreckt, wurde der Junge glücklicherweise bewußtlos, denn jetzt prügelten auch die anderen auf ihn ein.
    »Genug!« rief der dunkelhaarige Mann. »Ich weiß, ihr seid voller Zorn. Wir werden ihn in unser Dorf mitnehmen und vor einen barnwr bringen.«
    »Wozu brauchen wir einen Richter, Gwnda?« rief einer der Männer. »Haben wir es nicht mit eigenen Augen gesehen? Habe ich nicht beobachtet, wie sich Idwal und die arme Mair erst vor kurzem lauthals gestritten haben? Idwal war so außer sich, wie ich ihn noch nie erlebt habe.«
    Der schwarzbärtige Mann schüttelte den Kopf. »Wir müssen die Gesetze einhalten, Iestyn. Wir werden nach dem barnwr schicken, einem erfahrenen Richter aus der Abtei Dewi Sant.«
     
    Der Mönch war jung und lief mit dem zuversichtlich raschen Schritt der Jugend den Weg durch den Wald. Er hatte den Winterumhang eng um seinen Körper geschlungen, um sich vor der frühmorgendlichen Kälte zu schützen. Seinen dicken Wanderstab aus Schlehdorn trug er weniger als Gehhilfe, sondern vielmehr als Waffe bei sich – jederzeit zu seiner Verteidigung einsatzbereit. Der Wald von Ffynnon Druidion, der Druidenquelle, war berüchtigt für Straßenräuber, die in düsteren Verstecken lauerten und hier ihr Unwesen trieben.
    Bruder Cyngar hatte keine Angst, er war nur vorsichtig. In der ersten Morgendämmerung dieses Herbsttages, der strahlend schön zu werden versprach, würden, so meinte Cyngar, alle Räuber noch ihren Alkoholrausch ausschlafen. So früh würde kein einziger Schurke nach Opfern Ausschau halten. Nicht einmal der gefürchtete Clydog Cacynen, der hier in den Wäldern hauste. Clydog, die Wespe, wurde er genannt, denn er stach zu, wenn man es am wenigsten erwartete. Ein berüchtigter Geächteter. Die Angst vor ebenjenem Clydog Cacynen hatte Bruder Cyngar dazu gebracht, bereits in aller Frühe aufzubrechen, nachdem er die Nacht in der Hütte eines Holzfällers bei dem alten aufrecht stehenden Stein Unterschlupf gefunden hatte.
    Der Rauhreif hatte sich wie ein weißer Teppich über den Waldboden gelegt. Die schwache winterliche Sonne versuchte, ihre Strahlen durch die weichen weißen Wolken zu bohren. Der Wald wirkte farblos. Die Bäume hatten größtenteils bereits ihr Laub verloren, hatte es doch schon mehrere kalte Nächte gegeben, obwohl der Spätherbst erst noch bevorstand. Hier und da waren ein paar immergrüne Stechpalmen zu sehen, an deren weiblichen Exemplaren rote Beeren leuchteten. Kleine braune Zapfen schmückten die Erlen, dazwischen sah man Birken. Aber alles wurde überragt von hohen, ausladenden Eichen.
    Ab und zu entdeckte Bruder Cyngar an Eschenstämmen Holzkohlenpilze. Sie waren ungenießbar, vertrieben aber angeblich Krämpfe, wenn man sie vor dem Schlafengehen ins Bett legte, wie er gehört hatte. Aber eigentlich verachtete er solchen Aberglauben.
    Es regte sich im Wald. Cyngar bemerkte eine Spitzmaus, ein winziges braunes Etwas, das aus dem Gebüsch vor ihm heraushuschte. Er sah, wie die kleine Maus kurz innehielt und herumschnüffelte. Ihr schlechtes Sehvermögen wurde durch ihren einzigartigen Geruchssinn wettgemacht, denn kaum witterte sie den Fremden, piepste sie und war im Bruchteil einer Sekunde wieder verschwunden.
    Über Bruder Cyngar stieß ein am Himmel kreisender Rotmilan einen wehmütigen Schrei aus, er hatte wohl die kleine,
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