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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht
Autoren: Sergej Lukianenko
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Jacke auf. Es ging mir gut. Sogar sehr gut. Der Anführer der beiden Vampire war tot, seine Freundin würden unsere Leute einfangen, der Junge lebte.
    Der Chef würde zufrieden sein!

Zwei
    »Pfusch!«
    Ich versuchte etwas einzuwenden, doch der nächste Ausruf, der knallend wie eine Ohrfeige kam, verschloss mir den Mund.
    »Schlamperei!«
    »Aber …«
    »Ist dir wenigstens klar, was du alles falsch gemacht hast?«
    Der Chef hörte sich nicht mehr ganz so aufgebracht an, sodass ich es wagte, den Blick zu heben. »Im Großen und Ganzen …«, brachte ich vorsichtig hervor.
    Ich halte mich gern im Zimmer des Chefs auf. Irgendetwas Kindliches wird in mir angesprochen, wenn ich all die komischen Sachen sehe, die in Vitrinen hinter Panzerglas stehen, an den Wänden hängen, in wüstem Durcheinander auf dem Tisch herumliegen und sich mit Disketten und Geschäftsunterlagen zu einem Ganzen fügen. Angefangen bei dem alten japanischen Fächer bis hin zu jenem verbogenen Stück Metall mit dem aufgesetzten Elch, dem Emblem eines Autoherstellers, gibt es zu jedem Stück eine Geschichte. Wenn der Chef bei Laune ist, weiß er die kuriosesten Dinge zu erzählen.
    Nur dass ich ihn selten in dieser Stimmung erwische.
    »Gut.« Der Chef hörte auf, durchs Zimmer zu tigern, nahm in einem Ledersessel Platz und zündete sich eine Zigarette an. »Dann fang mal an.«
    Seine Stimme hatte einen sachlichen Ton angenommen, passend zu seiner äußeren Erscheinung. Für ein menschliches Auge wirkte er wie ein Vierzigjähriger und gehörte jener schmalen Mittelschicht von Geschäftsleuten an, auf die die Regierung so gern ihre Hoffnungen setzt.
    »Womit?«, fragte ich, wobei ich es riskierte, mir eine weitere klug abgewogene Beurteilung meiner Person einzufangen.
    »Mit der Auflistung der Fehler. Deiner Fehler.«
    Das heißt also … Gut. »Mein erster Fehler, Boris Ignatjewitsch«, fing ich mit Unschuldsmiene an, »bestand darin, dass ich meine Aufgabe falsch verstanden habe.«
    »Ah ja?«, hakte der Chef nach.
    »Nun, ich habe gedacht, dass ich den Vampir ausfindig machen sollte, der seit kurzem in Moskau auf Jagd ging. Ihn ausfindig und … äh … unschädlich machen.«
    »Nur weiter …«, spornte der Chef mich an.
    »Eigentlich sollte mit der Aufgabe aber meine Eignung für die operative Arbeit und den Außendienst getestet werden. Da ich von einer falschen Einschätzung meiner Aufgabe ausging, genauer gesagt, da ich nach dem Prinzip abgrenzen und schützen handelte …«
    Der Chef seufzte und nickte. Jemand, der ihn nicht so gut kannte wie ich, hätte vermutlich gedacht, er sei verlegen.
    »Hast du dieses Prinzip denn verletzt?«
    »Nein. Und deshalb habe ich das Ganze ja vermasselt.«
    »Und wie?«
    »Gleich am Anfang …« Mein Blick streifte eine ausgestopfte Schnee-Eule, die in einer Vitrine stand. Hatte sie gerade den Kopf bewegt oder nicht? »Gleich am Anfang habe ich mein Amulett bei dem missglückten Versuch, einen schwarzen Strudel zu neutralisieren, entladen …«
    Boris Ignatjewitsch verzog das Gesicht. Er strich sich das Haar glatt. »Gut, fangen wir damit an. Ich habe mir die Form genau angeschaut, und wenn du nicht übertrieben hast …«
    Empört schüttelte ich den Kopf.
    »Ich glaube dir ja. Also, gegen einen derartigen Strudel kommt man mit einem Amulett nicht an. Kannst du dich noch an die Klassifikation erinnern?«
    Mist! Warum hatte ich mir bloß nicht noch einmal die alten Unterlagen vorgenommen?
    »Ich bin mir sicher, dass du sie nicht im Kopf hast. Das spielt aber keine Rolle, denn dieser Strudel fällt völlig aus dem Schema heraus. So oder so wäre es dir nicht gelungen, mit ihm fertig zu werden …« Der Chef beugte sich über den Tisch zu mir herüber und sagte in verschwörerischem Flüsterton: »Und weißt du was …«
    Ich horchte auf.
    »Mir auch nicht, Anton.«
    Dieses Geständnis kam unerwartet, und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Zwar sprach niemand laut die Ansicht aus, der Chef bringe absolut alles fertig, dennoch hegten alle Mitarbeiter des Büros diese Überzeugung.
    »Anton, einen Strudel von solcher Kraft … kann nur der Urheber vernichten.«
    »Dann müssen wir ihn finden …«, bemerkte ich unsicher. »Nicht auszudenken, wenn der Frau …«
    »Um sie geht es gar nicht. Zumindest nicht um sie allein.«
    »Wieso denn nicht?«, platzte ich heraus und schob rasch hinterher: »Müssen wir einem Dunklen Magier das Handwerk legen?«
    Der Chef seufzte. »Womöglich hat er eine Lizenz.
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