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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser
Autoren: Stefanie Gercke
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schwelgen, welch ein Schock der Anblick ihrer nackten Beine für diese wäre. Adele war um viele Jahre älter als ihr Bruder, eine bleiche, hoch gewachsene Frau, deren Mund so schmal war, als hätte sie ihre Lippen verschluckt, die stets nur Schwarz trug und dreimal am Tag auf den Knien lag und laut Gott und die Jungfrau Maria um die Rettung aller Sünder anflehte. Als Louis le Roux ihr nach dem Tod von Catherines Mutter mitteilte, dass er gedächte, seine kleine Tochter auf seine Abenteuerreisen mitzunehmen, hatte sie verbissen und zäh mit ihm um die Seele ihrer Nichte gekämpft. Catherine hatte heimlich der lautstarken Auseinandersetzung gelauscht.
    »Sie ist erst fünf Jahre alt«, hatte Adele gejammert. »Ein so kleines Mädchen ... und man sagt, dass es dort Kannibalen gibt. Kannibalen! Man zittert, weiterzudenken.« Sie zitterte dramatisch und rang ihre Hände. »Und bedenke, dass diese Wilden völlig unbekleidet sein sollen - nackt...
    unzüchtig.« Ein Beben erschütterte den mageren Körper bei dieser unglaublichen Vorstellung. »Catherines Seele wird in der Hölle schmoren!«
    Ihre Stimme überschlug sich vor Grausen und versickerte in einem Hustenanfall. »Ich werde sie bei mir im Haus unserer Eltern behalten und sie auf den richtigen Weg führen«, führ sie fort, als der Anfall vorbei war,
    »meine gute Freundin Mechthild sagt auch...«

    Louis le Roux lachte dröhnend. »Diese vertrocknete Schnepfe!
    Sicherlich glaubt sie an die unbefleckte Empfängnis. Anzunehmen, dass sie deiner Meinung ist. Nun bist du schockiert, nicht wahr?« Wieder lachte er laut. »Nein, nein, Schwester, ich wil nicht, dass Catherine eine frömmelnde alte Jungfer wird wie du. Ich habe ihrer Mutter das auf dem Totenbett versprochen. Meine Tochter wird bei mir bleiben, und damit basta.«
    Catherines Herz hatte bei diesem nachdrücklichen »Basta« gehüpft, wusste sie doch, dass ihr Vater, hatte er dieses Wort ausgesprochen, nicht mehr umzustimmen war. Von diesem Tag an wich sie ihm nicht mehr von der Seite.
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    Doch die Sorge um ihren Vater ließ sich nicht vertreiben, nicht für einen Moment. Adeles Bild verblasste. Mit flatternden Rockzipfeln durchmaß sie den Raum, der nicht nur größer, sondern durch zwei schmale Fenster, die unter der Decke entlangliefen, auch wesentlich heller war als der von Wilma. Nervös und ruhelos schwang sie an der Tür wieder herum. Ihr Blick fiel dabei auf den Speer, der über der Koje mit Schlaufen an der Kabinenwand befestigt war. Sie strich über den Schaft. An jenem Tag auf einem kleinen Marktplatz in der Nähe von Bamako, an dem die Hitze wie der glühende Hauch aus einem Hochofen in ihren Lungen brannte und der Staub der nahen Wüste zwischen den Zähnen knirschte, hatte ihr Vater die Waffe und gleichzeitig César entdeckt, das heißt, eigentlich hatte César ihn gefunden. Natürlich hieß er nicht César. Ihr Vater hatte ihm den Namen des großen römischen Kaisers verpasst.
    »Sein Profil ist so wunderbar kriegerisch«, begründete er es.
    Während der Erkundungstour durch den Ort hatte Louis le Roux diesen ungewöhnlich schön verzierten Speer gesehen. Er hing, zusammen mit anderen Waffen, an der ockerfarbenen Hauswand des Schmieds. Die Spitzen des metallenen Halbmonds, der die messerscharfe Speerspitze einrahmte, zeigten in Stoßrichtung, am Schaft darunter saßen zwei scharf gebogene Widerhaken. Winzige Ziselierungen verzierten das Metall. Ein Mann lehnte reglos daneben, die Hände hielt er in den Falten seines weiten Gewandes versteckt. Er hätte eine schöne Statue aus schimmerndem, kaffeefarbenem Stein sein können, wenn nicht seine ausdrucksvollen Augen gewesen wären, die jede Bewegung der beiden hellhäutigen Fremden verfolgte. Ihr Vater wurde mit dem Schmied schnell handelseinig.
    Als sie mit ihrer Trophäe auf die Straße traten, stieß sich dieser Mann von der Wand ab und sprach sie an. Doch sie verstanden seine Sprache nicht und baten den Schmied um Übersetzung.
    Es stellte sich heraus, dass er ein Fulani war und seine gesamte Familie während eines Überfalls der blauen Männer aus der Wüste auf sein Heimatdorf getötet worden war. Der Speer hatte 24
    zuvor ihm gehört, er hatte ihn dem Schmied für ein paar Körner Gold verkauft.
    »Er meint die Tuareg«, schob der Schmied ein.
    Um nicht als Sklave nach Arabien verschleppt zu werden, sei er ins Innere des Landes geflohen. Seitdem sei er allein. Ein abgerissenes Blatt im Sturm, das hierhin und dorthin gewirbelt wurde, so
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