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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser
Autoren: Stefanie Gercke
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ihm gegen das Rad, wobei auch er einen stetigen Strom heftigster Flüche von virtuoser Farbigkeit ausstieß.
    Schwerfällig reagierte der Segler und schwang langsam wieder auf Kurs.
    Der Rest der Mannschaft, sechs verwegen aussehende Burschen, polterte den Niedergang hoch.
    »Hängt euch ans Ruder«, brüllte Johann Steinach die beiden größten an. Sie gehorchten, und mit ihrem Gewicht gelang es ihm, das Ruder herumzuwuchten und Kurs aufs offene Meer zu nehmen. Er atmete durch.
    Seine größte Angst war, in die starke Strömung zu geraten, die direkt unter Land nach Norden lief, und auf die berüchtigten Unterwasserriffe Natals gedrückt zu werden.

    »Al es sturmklar machen, refft die Segel!«, befahl er, und die vier übrigen Männer schwärmten aus.
    Doch so schnell, wie er es noch nie vorher erlebt hatte, blies sich der Wind zur Orkanstärke auf. Die Wellen wurden steiler und gewaltig, sie warfen das Schiff herum wie eine Nussschale. Sein Schreien und Ächzen trafen Johann Steinach ins Herz, aber blankes Entsetzen überfiel ihn, als er die Riesenfaust der mächtigen Nordströmung spürte, die den Segler mit rasender Geschwindigkeit mit sich zog. Böen, härter als Hammerschläge, trafen es und trieben es immer näher an die steinerne Barriere. Zusammen mit dem Steuermann kämpfte er wie ein Berserker. Sein Schiff war alles, was er in diesem Leben sein Eigen nannte.
    Der Orkan heulte auf und knickte den Hauptmast wie einen dürren Zweig. Der krachte aufs Deck, zerstörte das Ruder und schleuderte den Steuermann und die beiden Matrosen, die sich noch an dem Rad festklammerten, in die tobende See. Johann hatte Glück. Er landete auf den Planken, wurde vom schäumenden Wasser mitgerissen. Seine Nägel kratzten übers Holz, splitterten, fanden keinen Halt, aber er blieb in der Reling hängen. Gleichzeitig hob eine riesige Woge den manövrierunfähigen Segler hoch, bis Bug und Heck frei hingen, und dann ging es in halsbrecherischer Fahrt die haushohe Wasserwand hinunter geradewegs in die Hölle.
    Johann stürzte brüllend über das senkrecht stehende Deck hinab ins Meer. Fässer, losgerissene Planken, Taue, Eisenhaken prasselten auf ihn herunter und drückten ihn unter Wasser, Strudel zogen ihn in die Tiefe, wirbelten ihn um und um, bis er das Gefühl für sich verlor, nicht mehr wusste, wo oben und unten war.
    Man sagt, dass der Mensch in seinen letzten Minuten sein Leben an sich vorbeiziehen sieht und an seine Liebsten denkt. Johann aber war nur wütend auf sich selbst, dass er, getreu dem alten Seemannsbrauch, nie schwimmen gelernt hatte. Welch hanebüchener Unsinn war es, zu glauben, dass der Wassertod ein schneller und angenehmer war, kämpfte man nicht dagegen, sondern ließ ihn geschehen. Rotes Feuerwerk explodierte hinter seinen Augen, seine Lungen wollten schier platzen, bis er endlich in einem Wellental auftauchte und krampfhaft nach Luft schnappte. Aber schon baute sich der nächste Wasserberg über ihm auf. Und wieder schmetterte ein Brecher ihn bis auf den Meeresboden, schurrte ihn über den Sand, zog ihm die Haut in Fetzen herunter und spuckte ihn wieder aus. Als sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, sah er, dass sich am fernen Horizont der erste rosafarbene Schimmer des neuen Tages zeigte, und nun sah er auch, dass er nur noch einen Steinwurf vom Riff entfernt war.
    Bevor er sich wehren konnte, erfasste ihn die Brandung und warf ihn auf die Felsen. Er packte zu, direkt, wie es ihm schien, in Mil ionen aufgestellter Messer. Er brüllte vor Schmerz und ließ wieder los, eine Entscheidung, die ihm das Leben rettete, denn als Nächstes landete er mit dem Gesicht nach unten auf festem Boden. Seine Hände vergruben sich im groben Sand.
    Mühsam öffnete er seine verklebten Augen. Er lag auf einem leicht ansteigenden Strand, der von dem Riff aus pockenbewachsenen, rund gewaschenen Felsen gegen die donnernde Brandung geschützt war. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Von Port Natal und der kleinen Siedlung Durban war bis zum Horizont nichts zu entdecken.
    Seine Knochen schrien nach Ruhe, er war überzeugt, sich nie mehr auch nur einen Zoll weiterbewegen zu können. Doch die nächste Welle kam und zerrte ihn schon wieder zurück in die brodelnde See. Noch einmal nahm er seinen ganzen Wil en zusammen und kroch gegen den Sog des rücklaufenden Wassers
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    aufs Trockene, rollte herum und stemmte sich mit letzter Kraft auf seinen El bogen. Sein Blick strich übers Meer, suchte gegen alle Hoffnung seine
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