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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser
Autoren: Stefanie Gercke
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du bist seekrank, das ist keine Malaria«, lachte Catherine, wischte sich mit einem Tuch den Schweiß vom Ge 20
    sieht und tupfte ihren Hals trocken. »Du stirbst sicher nicht. In den nächsten Tagen werden wir im Hafen ankern, wo das Wasser ruhiger ist als mitten im Fluss, und du wirst sehen, dir wird es sofort besser gehen.«
    »Nur jemand, der noch nie seekrank war, kann so herzlos daherreden«, hauchte Wilma.
    Reumütig zog Catherine das zerknüllte Laken zurecht. »Du hast Recht, ich bin da besser dran als du. Verzeih mir, liebste Wilma, ich werde mich nie wieder über dich lustig machen. Da auch mein Vater nie davon geplagt wird, habe ich leider kein Mittel gegen die Seekrankheit. Es soll da ein wunderbares Pulver aus England geben, vielleicht können wir es im nächsten Hafen bekommen. Aber ich werde dir gleich etwas von Papas Chinarindenpulver geben, das beugt dem Wechselfieber vor. Es ist entsetzlich bitter, also muss es sehr wirksam sein.« Sie bückte sich und hob den vollen Eimer hoch. »Lass mich den Eimer für dich ausleeren, der Gestank macht dich ja noch kränker.« Das Gesicht abgewandt, trug sie den Eimer am ausgestreckten Arm.
    »Catherine«, keuchte ihre Gesellschafterin, »welcher Tag ist heute?
    Sollte dein Vater nicht schon längst aus den Sümpfen zurückgekehrt sein?«
    Leise jammernd befreite sie sich von dem zerwühlten Laken, richtete sich halb auf und führ sich durch die wirren Haare. »Da wird doch nichts passiert sein? Um Himmels wil en, Catherine, es soll hier Kannibalen geben ...« Ihre Stimme stieg, brach und versickerte dann, ihre wässrigen Augen wurden riesig, die Haut unter der durchsichtigen Blässe grünlich. Schwer atmend fiel sie zurück in die Koje.
    Catherine setzte den stinkenden Eimer wieder ab. »Hör auf«, befahl sie harsch und schob das Bild weg, das ihr bei diesen Worten plötzlich vor Augen stand. Es stammte aus einem der Abenteuerbücher ihres Vaters und zeigte einen dampfenden Kochkessel, in dem ein weißer Mann bis zum Hals in brodelnder Brühe hockte, das Gesicht von Schmerz verzerrt, den Mund zum Schrei aufgerissen, während zwei nackte, schwarzhäutige Wilde teuflisch grinsend die dampfende Suppe umrührten, aus der hier ein Fuß ragte und dort ein Bein. »Kannibalen bei der Vorbe-21
    T
    reitung ihrer Mahlzeit« war der Titel gewesen. »Hör auf!«, wiederholte sie.
    »Das ist alles Humbug.«
    »Du hast Angst, nicht wahr? Deswegen bist du so reizbar. Ich kenn dich doch.« Wilmas Ton war vorwurfsvoll.
    Mit gesenktem Kopf blieb Catherine stehen. »Ja«, gab sie endlich mit dünner Stimme zu. »Aber ich wil nicht darüber reden.« Sie hob den Eimer wieder auf und öffnete die Tür.
    »Du darfst nicht mit bloßen Schultern herumlaufen«, erreichte sie der matte Protest ihrer Lehrerin noch. »Es ist nicht schicklich, und deine schöne Haut wird verbrennen, schwarze Flecken bekommen und sich dann ablösen ... und zieh deine Schuhe an... Catherine!«
    Unsanft schob Catherine die Tür ins Schloss, um die quengelige Stimme nicht mehr hören zu müssen. Im engen Gang drückte sich der Schiffsjunge an ihr vorbei. Sie hielt ihn am Ärmel fest und gab ihm den Eimer. »Hier, schütte das über Bord, wasch den Eimer aus und bringe ihn Fräulein Jessel wieder.« Der Schiffsjunge tummelte sich, und sie warf die Tür ihrer Kabine krachend hinter sich zu. Typisch Wilma, sie glaubte zu sterben, machte sich aber Gedanken um schickliche Kleidung. Ihrer Vorstellung nach hatten junge Damen hoch geschlossene Kleider, Unterröcke und Lederschuhe mit wollenen Strümpfen zu tragen, auch wenn die Sonnenhitze ein aufgeschlagenes Ei gerinnen ließ. Wäre sie als Junge geboren worden, dann könnte sie Hosen tragen und ein Hemd mit kurzen Ärmeln, in dieser Hitze könnte sie sogar den Oberkörper vollkommen entblößen, den Wind und die Sonne auf ihrer Haut spüren. Welch himmlische Vorstellung. Die Ungerechtigkeit der Welt verdunkelte ihr Gemüt.
    Spontan hob sie die Zipfel ihres langen Rocks und band sie über ihrer Hüfte fest, genoss den Luftzug, der ihre nackten Beine hochstrich. Zu Wilmas immer währendem Entsetzen trug sie an Bord nie einen Unterrock.
    Aus einer Kanne goss sie Wasser in die Waschschüssel, tunkte den Schwamm hinein und befeuchtete Hals, Arme und Beine. Es kühlte wunderbar.
    »Du wirst ein schlimmes Ende nehmen«, zischte eine Stimme in ihrem Kopf.
    22
    Adele, die fürchterliche Schwester ihres Vaters! Catherine erlaubte sich, einige Augenblicke in der Vorstellung zu
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