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0991 - Der Kopf des Vaters

0991 - Der Kopf des Vaters

Titel: 0991 - Der Kopf des Vaters
Autoren: Jason Dark
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schaffen. Die Frau ging noch einen Schritt weiter und überlegte, wie sie wohl reagieren würde, wenn von ihrem Vater nichts mehr vorhanden war. Zumindest nicht von seinem Kopf. Was den Körper anging, darüber konnte sie keine Aussagen machen, und sie hatte auch spekuliert.
    Gab es ihn noch? War er vielleicht auf einem Friedhof in Spanien begraben worden? Oder hatte man ihn kurzerhand zwischen die Klippen ins Meer geworfen?
    Sie wußte es nicht und mußte sich eingestehen, daß ihr Vater zweitrangig geworden war. Innerlich hatte sie sich bereits von ihm verabschiedet. Julia fand keinen anderen Ausdruck für ihr Gefühl, aber der Vater war nicht allein gewesen.
    Da gab es noch ihre Mutter Carina. Gerade um sie kreisten ihre sorgenvollen Gedanken. Wußte sie Bescheid? Sie war jetzt allein, aber sie hatte ihrem Mann immer zur Seite gestanden. Gesprochen worden war in der Familie über das uneheliche Kind nie. Wenn die Mutter es gewußt hatte, dann war sie stark genug gewesen, um auch in Ehekrisen nicht über das Thema zu sprechen.
    Für Julia Sargasso stand fest, daß von nun an ihre in Spanien lebende Mutter der Dreh-und Angelpunkt war. Da konnte man eventuell nachsetzen.
    Im Zeitalter der Düsenjetzs spielte die Entfernung zwischen London und Spanien keine große Rolle mehr.
    Jane telefonierte noch immer. Sie sprach noch nicht so lange, wie es für Julia den Anschein gehabt hatte, denn in den letzten beiden Minuten waren zahlreiche Gedankenströme auf sie eingestürmt.
    Wieder richtete sie ihren Blick auf den Wagen. Am Himmel hatte der Wind eine gewaltige Wolkenformation zerrissen und dem blassen Mond freie Sicht gegeben. Diese seltsame Dunkelheit ließ den Erdtrabanten so kalt und bleich erscheinen wie ein grausames Auge, das ein Dämon geschickt hatte, um die Menschheit zu beobachten.
    Jane legte ihr Handy wieder weg, blieb aber noch im Golf sitzen und wischte über ihre Stirn.
    Julia hatte den Blick noch immer auf den Wagen gerichtet. Einen Grund konnte sie nicht nennen, aber Sekunden später erlebte sie etwas, mit dem sie einfach nicht zurechtkam.
    Und wieder war es der Schädel, der dabei die Hauptrolle spielte. Bisher hatte ihn die Außenhaut des Wohnmobils verborgen gehabt, jetzt aber konnte Julia ihn sehen.
    Nein, das Material hatte sich nicht verändert und war auch nicht durchsichtig geworden. Es war einzig und allein der Schädel, der in einem unheimlichen und düsteren Rot aufglühte und so zu sehen war, als gäbe es überhaupt keine Hindernisse.
    »Ja!« rief Julia. »Mein Gott, Jane, komm! Sieh dir das an…«
    ***
    Im Bett hatte ich noch nicht gelegen, als mich Janes Anruf erreichte. Ich hatte die Füße hochgelegt, im Sessel gehockt und in einem Buch gelesen, in dem es um die Geschichte der Kreuzritter ging. Es war kein so trocken geschriebenes Sachbuch. Der Inhalt beschäftigte sich mit Augenzeugenberichten.
    Was dabei an Einzelheiten zum Vorschein getreten war, hatte selbst bei mir eine Gänsehaut hervorgerufen. Vieles war einfach nicht zu fassen gewesen. Unvorstellbar.
    Ich wußte ja, wie die Kreuzritter im Namen des Christentums gewütet hatten, doch die Aktionen waren einfach so schlimm gewesen, daß sie sich nicht von den Taten marodierender Horden unterschieden. Manche Kreuzritter waren sogar Kannibalen gewesen.
    Es fiel mir nicht leicht, dieses Kapitel zu lesen, und ich legte das Buch zunächst einmal zur Seite, um mir einen Cognac zu gönnen. Die Flasche und das Glas standen in Reichweite. Sie stand neben der Fernbedienung für die Glotze und neben dem Handy, das sich in dem Moment meldete, als ich die Finger der linken Hand um die Flasche gelegt hatte.
    »Anrufe am Abend, erquickend und labend«, murmelte ich und seufzte dabei. Ich schaute den schmalen, schwarzen Gegenstand an, als wollte ich ihn hypnotisieren, was mir leider nicht gelang, denn er piepte weiter, und so sah ich mich gezwungen, die Verbindung herzustellen.
    »Du bist also doch da, John.«
    An der Stimme erkannte ich Jane. Aber ihr Klang ließ mich die lockere Antwort verkneifen, die bereits auf meiner Zunge gelegen hatte.
    Ich war gewarnt.
    »Ja, ich bin da.«
    »Dann hör genau zu.«
    »Ärger?«
    »Hör zu, John! Bitte!«
    Die Worte trafen mich bald wie geistige Pflastersteine. Ich kannte Jane gut genug. Wenn sie so sprach, steckte sie in dicken Schwierigkeiten oder kämpfte mit Problemen.
    Ich hörte zu. Und was ich da vernahm, das klang verdammt unwahrscheinlich, aber ich wußte auch, daß Jane Collins keinen Grund hatte,
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