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0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

Titel: 0977 - Gefahr für die Blaue Stadt
Autoren: Manfred H. Rückert und Simon Borner
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Beine. Der Marsch ging weiter.
    »Ach ja?«, flüsterte Monica ihr zu. »Verzeih mir, wenn ich das bezweifle. Wer Herrin der Lage ist, läuft eher selten gefesselt und wehrlos zu seinem Henker.«
    Henker. Abermals dachte Nicole an das Amulett. Sie durfte den Moment nicht zu lange hinauszögern, an dem sie sich und Monica aus der Gefangenschaft der Tonkan befreite. Tote konnten nicht mehr argumentieren.
    »Die töten uns schon nicht.«
    Monica schnaubte ungläubig. »Ach ja? Die bringen uns in ihr Dorf, obwohl sie uns für ihre Feinde halten. Meinst du, das würden sie tun, wenn sie davon ausgingen, dass wir es wieder verlassen? Hat man dir vielleicht die Augen verbunden? Mir nicht.«
    »Schweigt!«, herrschte der Tonkan sie abermals an. Nicole spürte, wie ihr die Beine unter dem Leib weggezogen wurden. Dann landete sie auch schon auf dem Waldboden. Blut schoss in ihren Mund.
    Monica schrie. Die Tonkan lachten.
    Wie lange war eigentlich zu lange?
    ***
    Rollor kniete im Staub, den Blick zu Boden gerichtet. Ganz, wie es die Situation erforderte. Es war das einzige Verhalten, das an diesem Ort angemessen war. Wer sich dem Brunnen näherte, musste dies in Demut tun. Alles andere wäre ein Sakrileg.
    Der Brunnen befand sich schon inmitten Brocéliandes, so lange Rollor zurückdenken konnte. Er war immer da gewesen - groß und schweigend. Rätselhaft. Er war das höchste Heiligtum der Tonkan, und wie alle Mitglieder seines Volkes würde auch Rollor sein Leben geben, um ihn zu schützen.
    Doch dazu schien es heute nicht zu kommen. Alles wirkte so friedlich. Ein angenehmer Wind strich durch die Wipfel der Bäume. Die Luft roch nach Frühlingsfrische und dem würzigen Geruch des Waldes. Irgendwo raschelte es im Unterholz. Ein Tier, zweifellos.
    Rollor richtete den Oberkörper auf, wie es Sitte war, und betrachtete den Brunnen. Dieser besaß die Gestalt einer hoch gemauerten Röhre von vielleicht zweieinhalb Metern Durchmesser. Mehr als die Hälfte der Röhre war aus Backstein gebaut. Rollor ließ den Blick nur kurz über sie schweifen, dann beugte er sich der Tradition entsprechend wieder in den Staub. Er war nicht würdig, sich in der Nähe des Brunnens aufzuhalten - das sollte die Geste ausdrücken. Dass er sich bewusst war, wie absurd seine Präsenz an diesem Ort war, und dafür um Verzeihung bat.
    Denn einer muss ihn bewachen. Die Kunde, dass Fremde in Brocéliande eingefallen waren, hatte die Tonkan erst vor kurzer Zeit erreicht. Rollor hatte sich sofort aufgemacht, hier am Brunnen nach dem Rechten zu sehen, denn er wollte kein Risiko eingehen. Die Fremden mochten sich als Gerücht herausstellen, dem jegliche Grundlage fehlte, oder der Brunnen gar nicht als ihr Ziel. Aber die Chance bestand, und das genügte dem jungen Tonkan, hierher zu kommen und seines Stammes Heiligtum im Auge zu behalten. Sicher war sicher.
    Wieder raschelte es hinter ihm. Was immer dort durchs Gehölz streifte, kam offenbar näher. Rollor schmunzelte. Er war Jäger und hatte seine Waffe nun auch an der Hüfte hängen - ein scharf geschliffenes Steinmesser von der Länge des Unterarms eines Kindes. Es hatte bereits viele Tiere getötet, die später den Stamm ernährt hatten. Dem Klang in seinem Rücken nach zu urteilen, würde es dies auch heute tun.
    Der Brunnen beschenkt jene, die ihm treu sind.
    Rollors Hand glitt zum Steinmesser. Er spannte die Muskeln an. Die so herrlich vertraute Freude der Jagd durchströmte ihn plötzlich, und er war dem Brunnen dankbar dafür, dass dieser ihn so individuell beschenkte.
    Das Rascheln nahm immer mehr zu, wurde lauter und lauter.
    Rollor stellte sich taub. Wartete. Ein guter Jäger passte stets den richtigen Moment ab, und er war ein guter Jäger.
    Schon glaubte er, den Geruch des Wildtieres wahrzunehmen. Es roch salzig, erdig - und nach etwas Fremdem, das der junge Tonkan nicht so recht einzuordnen wusste. Seltsam.
    Doch als der Moment gekommen war, handelte Rollor, wie es ihn sein Vater gelehrt hatte. Wie es seit Generationen Sitte der Tonkan war. Seine Hand schloss sich um den Griff des Messers, dann sprang er auf, wirbelte in derselben Bewegung um die eigene Achse und riss die Waffe in die Höhe, um sie auf das Tier niedersausen zu lassen.
    Nur: Da war kein Tier.
    Sondern…
    Rollor schrie, als sich die brennenden Klauen des Teufels nach ihm ausstreckten! Jahrelang geschulte Reflexe taten ihren Dienst und bewahrten ihn vor einem schnellen Tod. Fast ohne sein Zutun wich er nämlich zurück, duckte sich
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