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0971 - Die zerrissene Stadt

0971 - Die zerrissene Stadt

Titel: 0971 - Die zerrissene Stadt
Autoren: Manfred H. Rückert
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er.
    Uschi Peters setzte ihren Rucksack ab und öffnete den vorderen Reißverschluss. Sie griff hinein und brachte eine Sprühflasche zutage. Darauf prangte eine Mücke, über der ein dickes rotes X angebracht war.
    »Angeblich soll das Zeug helfen«, sagte sie und begann, Roberts ungeschützte Hautflächen einzusprühen, danach revanchierte er sich bei ihr. »War ein Geheimtipp von Scarth.«
    Das wiederum wunderte Tendyke, denn sein Butler war mindestens so vornehm-steif wie Zamorras Guter Geist William.
    Um beide herum herrschte das unaufhörliche Zirpen und Summen, das für die Bayous in dieser Gegend typisch war. Weder Robert noch Uschi liebten das subtropische Klima dieser Landschaft und den Gestank nach Zerfall. Zudem mussten sie ständig aufpassen, dass sie nicht von den Louisiana Swamps verschlungen wurden.
    Hatte ich mir nicht beim letzten Mal geschworen, dass mich diese Gegend nie wieder sieht?, dachte Tendyke halb erbost, halb belustigt, als sie sich auf den Weg machten. Er löste die Bänder an seinem Rucksack, die das Buschmesser rutschfest gehalten hatten, und übernahm die Führung, dabei holte er immer wieder weit aus und schlug eine Schneise, damit sie schnell und gefahrlos vorankamen. Uschi folgte ihm mit zwei bis drei Metern Abstand, damit sie keine Bekanntschaft mit seinem Buschmesser schloss. Er kannte die ungefähre Richtung, in die sie gehen mussten, dazu hatte er einen Kompass und ein Handy Marke TI-Alpha der Tendyke Industries- Tochterfirma Satronics dabei, in das die Lage der Blauen Stadt eingegeben war. Das TI-Alpha diente dank GPS auch als Navigationsgerät.
    Der Wald aus Zypressen und Mangroven war beinahe undurchdringlich, zudem mussten sie auf vereinzelt auftauchende Alligatoren und Bisamratten auf passen. Letztere waren von einer unglaublichen Dreistigkeit und versuchten, den beiden während des Laufens in die Füße zu beißen. Eine wurde von Tendykes Machete in der Mitte zerschnitten, einer anderen gab Peters einen Tritt, sodass sie in hohem Bogen davonflog.
    Robert wusste nicht, weshalb er es tat, aber auf einmal summte er das Lied »Born on the Bayou« von seiner Lieblingsband Creedence Clearwater Revival. Die Lieder der kalifornischen Ausnahmemusiker gehörten zu seinen absoluten Favoriten.
    »Solange du nicht Run through the Jungle oder Jambalaya on the Bayou- verunstaltest, darfst du weitermachen«, gestattete ihm Uschi gnädigerweise. Sie liebte ebenfalls den rauen CCR-Sound.
    Tendyke presste die Lippen zusammen und stellte das Summen ein. Es war erst kurz nach acht Uhr am Morgen, aber er hatte das Gefühl, dass heute definitiv nicht sein Tag war; dabei trug er selbst Schuld daran, dass sie sich hier befanden. Er hätte ja auch ein anderes Ziel wählen können als die Bayous. Aber er musste ja unbedingt die Blaue Stadt sehen. Er wusste selbst nicht genau zu sagen, weshalb er diese Blaue Stadt genommen hatte und nicht die in Peru, bei der ihm vor fast genau vier Jahren der Gedankentöter begegnet war. [4]
    Auf der anderen Seite liebte er das Leben als Abenteurer. Das Zigeunerblut in Tendyke machte sich wieder einmal bemerkbar, er war wirklich nicht für den Schreibtisch geschaffen; solche Arbeit konnte sein Geschäftsführer Rhet Riker weitaus besser erledigen. Wie oft schon hatte Tendyke in der Vergangenheit Expeditionen geleitet oder war bei Erkundungen in Feindesland dabei gewesen? Die Funktion als Sesselpupser bei den Tendyke Industries- füllte ihn nicht aus. Sicher, die Firma, deren Sitz in El Paso, Texas lag, war eine weltweite Holding mit Tausenden von Tochterfirmen in allen möglichen Branchen. Er hatte sie nur gegründet und groß gemacht, weil er sich nach dem Tod seiner Mutter geschworen hatte: »Ich will nie wieder arm sein!« Aber er brauchte einfach die Freiheit, das Abenteuer, das Unbekannte, sonst fühlte er sich zu eingeengt. Und dieser Ausflug sollte eigentlich auch nicht allzu lange dauern. Uschi und er hatten dafür nicht mehr als zwei Tage geplant.
    Eigentlich…
    »Wir hätten die Silbermond-Druiden um Hilfe bitten sollen«, stöhnte Uschi und unterbrach Tendykes Gedankengang. »Mittels zeitlosem Sprunghätten uns Teri Rheken, Gryf ap Llandrysgryf oder dieser Luc Avenge in die Blaue Stadt gebracht.«
    »Zweifellos hätten sie das«, gab der Sohn des Teufels zu, »aber was wäre das für eine Expedition gewesen? Buchen Sie Druiden-Sprung-Airlinesfür einen kurzen, gefahrlosen Ausflug? Ein bisschen möchte ich schon das Gefühl haben, dass ein Kick an der
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