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0964 - Schwingen des Geistes

Titel: 0964 - Schwingen des Geistes
Autoren: Unbekannt
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gratigen Kanten. Erst wenn man seine Basis erreichte, gaben die scheinbar glatten Flächen ihr Geheimnis preis.
    Uberall waren in den Stein Schriftzeichen gemeißelt oder gebrannt oder mit Erdfarben aufgemalt. Man sah steile, geschwungene oder ungelenke Handschriften, manche kaum mehr leserlich, andere wiederum gestochen scharf. Die Lesbarkeit der Inschriften hing zum Teil auch von der Art und Weise ab, in der sie verewigt worden waren. Aber alle diese Graffiti hatten gemeinsam, daß sie von Konzepten hinterlassen worden waren, die den Felsen ES besucht hatten.
    Sie kamen hierher, um ihre Wünsche und Hoffnungen zu deponieren und ihre Bewußtseine von den Sorgen zu erleichtern, die sie plagten. Die Pilger glaubten, daß ES auf diese Weise ihre Botschaften empfangen und sie erhören könne.
    Da stand, zum Beispiel, in großen Lettern und zentimetertief in den Stein geritzt die Urfrage, die alle Konzepte seit dem ersten Tag beschäftigte: WOHIN GEHEN WIR?
    Dort hob sich ein Relief aus dem Stein, das ein männliches Antlitz zeigte und eindeutig die idealisierte Darstellung von Ellert/Ashdon war. Bei genauerer Betrachtung war zu erkennen, daß die Gesichtslinien aus erhobenen Buchstaben bestanden, die bei richtiger Aneinanderreihung den Ausspruch ergaben: ICH HABE IHN GEKANNT. HERKAS.
    Ellert/Ashdon war eine Legende. Eine von vielen auf EDEN II, aber eine, die die Bewußtseine der Konzepte fast so stark beschäftigte wie die Legenden über ES selbst.
    WIR SIND DEINE KINDER, besagte ein Graffito, HAST DU UNS VERLASSEN? fragte ein anderes.
    Maina kannte sie alle. Sie hatte lange am Felsen ES zugebracht und sämtliche Inschriften studiert und analysiert. Maina hätte nicht zu sagen vermocht, wieviel Zeit vergangen war, seit sie hierhergekommen war, ebensowenig wie sie die Zahl der Bewußtseine hätte nennen können, die in ihr vereinigt waren. Es war auch egal, wie lange die Kette der Bewußtseine war, es zählte nur, daß sie alle zu einem einzigen und starken Kollektiv verschmolzen waren.
    Maina dachte als eine Person, und das sprach für ihren konzeptionellen Rang.
    Die Zeit ... Sie war für ein Leben in Meditation ein unbedeutender Faktor. Die Kunstsonne, die genau im Mittelpunkt hoch über der Fläche des Trapezoeders vom Felsen ES stand, schien immer. Und Maina war genau unter ihr, um, wie manche Konzepte es ausdrückten, „den Schatten in sich selbst zu tragen".
    Die quadratische Hochfläche vom Felsen ES trug nur eine Inschrift, aber diese war so tief in den Stein gegraben, daß manche körperlich klein gewachsene Konzepte ihre Arme recken mußten, um den Boden der übermannsgroßen Buchstaben zu erreichen und sie nachziehen zu können.
    Die Uberlieferung besagte, daß es sich um eine Botschaft von ES handelte, die Ellert/Ashdon empfangen haben wollte, bevor er EDEN II verließ. Und eben diese Botschaft - eigentlich ein Hilferuf - sollte zum Aufbruch von Ellert/Ashdon geführt haben.
    VERGEBLICH HABE ICH ZU HELFEN VERSUCHT. ICH HABE MICH ZU NAHE HERANGEWAGT. NUN STURZE ICH IN DIESE ERLOSCHENE ...
    Das soll ES gesagt haben, so wollte es Ellert/Ashdon gehört haben. Die Botschaft war unvollendet, und die Konzepte waren angehalten, den fehlenden Begriff zu ergänzen. Aber bis jetzt hatte sich niemand gefunden, der dazu in der Lage gewesen wäre. Auch Maina hatte vergeblich versucht, das fehlende Wort zu finden. Ihre Meditation war umsonst gewesen, was das Bemüken um einen Kontakt mit ES betraf. Sie erreichte lediglich, daß manche der Pilger mit ihren Bewußtseinen in ihr aufgingen. Wie viele waren es gewesen? Maina hatte sie nicht gezählt. Sie fühlte sich durch die Verlängerung ihrer Bewußtseinskette nicht einmal gestärkt - als sei sie ein schier bodenloses Sammelbecken mit unbegrenzter Aufnahmefähigkeit.
    WIR SIND EINE WERDENDE SUPERINTELLIGENZ, signalisierte eine Inschrift auf einer der vier Trapezflächen des Monuments. Damit wurde das Bestreben der Konzepte, alle ihre Bewußtseine zu einer einzigen Wesenheit zusammenzuschließen, zum Ausdruck gebracht. Darauf schien alles hinauszulaufen, und diese Bestrebungen waren schon seit allem Anfang im Gange: seit EDEN II erschaffen worden war und ES die 20 Milliarden menschlichen Bewußtseine als Konzepte hier abgesetzt hatte. Aber es war ein fernes Ziel, dem sich die Konzepte, wenn überhaupt, nur langsam näherten, weil sie sich dabei unterschiedlicher Methoden bedienten.
    Maina wußte, daß eine starke, alles koordinierende Kraft fehlte, und sie beschloß, alle
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