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095 - Der leuchtende Schlüssel

095 - Der leuchtende Schlüssel

Titel: 095 - Der leuchtende Schlüssel
Autoren: Edgar Wallace
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er mit schriller Stimme. »Meint der Kerl denn, ich bestelle ihn zum Vergnügen her?«
    Es klingelte an der Haustür. Binny ging nach unten und kam kurz darauf mit dem Besucher zurück.
    »Mr. Moran«, meldete er.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Moran.« Der alte Mann machte eine ungewisse Handbewegung. »Binny, bringen Sie einen Stuhl, und dann machen Sie, daß Sie hinauskommen - verstanden? Und horchen Sie nicht an der Tür, verdammt noch mal!«
    Der Besucher lächelte, als sich die Tür hinter Binny schloß. Die Worte schienen wenig Eindruck auf den Butler gemacht zu haben.
    »Mr. Moran, Sie sind mein Bankier.«
    »Ja, Mr. Lyne. Ich habe schon vor einem Jahr angefragt, ob ich einmal mit Ihnen sprechen könnte - vielleicht erinnern Sie sich daran?«
    »Natürlich. Aber ich mag keine Bankdirektoren sehen. Die sollen dafür sorgen, daß mein Geld Zinsen bringt. Das ist ihre Pflicht, dafür werden sie bezahlt. Haben Sie die Abrechnung?«
    Der andere zog einen Briefumschlag aus der Tasche, öffnete ihn und nahm zwei große, zusammengefaltete Bogen heraus.
    »Hier«, begann er. Sein Stuhl krachte, als er sich erhob.
    »Ich will die Abrechnung nicht sehen. Sagen Sie mir die Endsumme.«
    »Zweihundertundzwö lftausendsiebenhundertsechzig Pfund und einige Shilling.«
    »Hm!« erwiderte Mr. Lyne zufrieden. »Und wie steht es mit den Wertpapieren?«
    »Nach dem jetzigen Kursstand sind sie sechshundertzweiunddreißigtausend Pfund wert.«
    »Ich will Ihnen sagen, warum ich mit Ihnen sprechen wollte«, sagte Lyne, fügte aber sofort argwöhnisch hinzu: »öffnen Sie doch einmal die Tür und sehen Sie zu, ob dieser verdammte Kerl horcht.«
    Der Besucher erhob sich, machte die Tür auf und schloß sie wieder.
    »Es ist niemand draußen.«
    Er lächelte, aber Mr. Lyne konnte das nicht beobachten.
    »So, es ist niemand draußen? Also, Moran, dann hören Sie einmal zu. Ich halte mich für einen sehr fähigen Mann. Damit will ich mich nicht rühmen; das ist eine Tatsache, die Sie selbst feststellen können. Ich traue niemandem, nicht einmal einem Bankdirektor. Meine Sehkraft ist nicht mehr besonders gut, und es fällt mir schwer, Rechnungen zu kontrollieren. Aber ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, das ich dauernd trainiere. Ich kann Zahlen unheimlich lange behalten, und ich hätte Ihnen bis auf einige Shilling genau die Summe nennen können, die Sie eben angaben.« Der alte Mann machte eine Pause und sah durch seine dicken Gläser zu dem Besucher hinüber, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saß.
    »Hoffentlich spekulieren und spielen Sie nicht?«
    »Nein, Mr. Lyne.«
    Mr. Moran atmete erleichtert auf, als er sich wieder von dem Alten verabschieden konnte.
    Binny wurde durch ein Klingelzeichen seines Herrn in seinem Zimmer aufgestört. Als er nach oben kam, war der Besucher schon gegangen.
    »Sagen Sie, Binny, wie sah der Mann aus? Hatte er ein ehrliches Gesicht?«
    Der Butler dachte lange nach.
    »Er hatte ein ganz gewöhnliches Gesicht«, meinte er dann.
    Lyne war ärgerlich.
    »Bringen Sie das Frühstücksgeschirr weg. Wer kommt denn heute sonst noch?«
    Binny überlegte lange.
    »Ein gewisser Dornford.«
    »Ein Herr namens Dornford«, verbesserte ihn der Alte. »Er schuldet mir Geld, deshalb ist er ein Herr. Wann kommt er?«
    »Ungefähr um acht.«
    »Sie bleiben im Zimmer, wenn er kommt. Haben Sie mich verstanden? Er ist ein gemeiner Kerl - ein gefährlicher Mensch. Es ist gut, wenn Sie da sind.« »Jawohl.«

6
    Arthur Jules, der sich stets sehr wichtig vorkam, war ein düsterer, verhältnismäßig kleiner junger Mann. Er trug ein Monokel, hatte eine tadellose Frisur und war immer so gekleidet, als ob er an einer großen Festlichkeit teilnehmen sollte.
    Als Attaché bei einer südamerikanischen Gesandtschaft befaßte er sich auf eigene Faust mit Diplomatie. In einem Land, wo die Leute mehr verdächtigt werden als in England, hätte man ihm vermutlich äußerst höflich seinen Paß zugestellt und ihn unter besonderer Aufsicht eines Detektivs in seine Heimat abgeschoben.
    Eines Tages saß er an seinem Fenster, von dem aus er die St. James Street übersehen konnte. Er strich seinen kleinen schwarzen Schnurrbart nachdenklich und unterhielt sich mit Jerry Dornford.
    Jedermann kannte Jerry. Er besaß all die angenehmen Umgangsformen, die begüterten Leuten einen Verschwender lieb und wert machen. Wie Jules war er Mitglied des Snells-Club. Er gehörte auch all den vornehmen Klubs an, in denen sich die oberen Zehntausend treffen,
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