Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
095 - Der leuchtende Schlüssel

095 - Der leuchtende Schlüssel

Titel: 095 - Der leuchtende Schlüssel
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Mensch, mit dem nicht leicht auszukommen war.
    Die vornehmen Herren, die während der Regierungszeit der Königin Viktoria Tausende auf ihre Rennpferde setzten und Einladungen und Sektgelage gaben, waren manchmal in Schwierigkeiten, bares Geld aufzutreiben. Dann kamen sie immer zu Hervey, weil sie sofort wußten, ob er ihnen Geld leihen würde oder nicht.
    Das war das Angenehme an ihm, daß er sofort ja oder nein sagte. Und was er sagte, meinte er auch, ohne lange zu handeln oder zu feilschen. Er gab das Geldgeschäft auf, als die Testamentsvollstrecker des Herzogs von Crewdon einen großen Prozeß gegen ihn anstrengten und verloren. Hervey hatte bestimmt damit gerechnet, daß die Gegner gewinnen würden.
    Er betrachtete alle Leute, die zu ihm kamen, als Narren und hatte nicht die geringste Achtung vor ihnen. Seiner Meinung nach war es töricht, Geld zu borgen, hohe Zinsen zu zahlen und das Geld zurückzugeben.
    Auch Dick Allenby hielt er für einen Narren, einen unverschämten Burschen, der sich für einen Erfinder hielt und nicht klug genug war, beizeiten Geld zu verdienen. Ebenso war Mary Lane in seinen Augen eine dumme Person, eine alberne Schauspielerin, die sich in Pose setzte, ihr Gesicht schminkte und für eine viel zu kleine Gage auf der Bühne arbeitete. Allenby war sein Neffe, der bei etwas vernünftigem Benehmen leicht von ihm eine Million hätte erben können. Mary Lane war die Tochter seines früheren Partners und hätte, wenn sie einen anderen Beruf gehabt hätte, dieselbe Summe bekommen können.
    Seine Dienstboten hielt er natürlich auch für besondere Dummköpfe.
    Binny kümmerte sich aber nicht um das, was sein Herr von ihm dachte. Er war freundlich, hatte große treue Augen und einen vollständig kahlen Kopf. Er war ein wenig faul, und seine Frau hatte morgens immer viel Mühe, ihn aus dem Bett zu bringen.
    Er versah alle möglichen Dienste bei Mr. Lyne: er war Kammerdiener, Privatsekretär, Bote, Butler und Krankenpfleger. Von Rechts wegen hätte er ein hohes Gehalt haben müssen.
    Der alte Hervey saß in seinem Rollstuhl zwischen den Kissen und sah düster auf die Setzeier und die Toastschnitten, die vor ihm auf einem Tablett standen.
    »Hat dieser verrückte Detektiv wieder nach mir gefragt?«
    »Nein«, entgegnete Binny. »Sie meinen doch Mr. Smith?«
    »Ich meine den blöden Kerl, der sich nach diesem Verbrecher Tickler erkundigte«, rief der Alte heftig und schlug mit der Faust so hart auf den Tisch, daß die Tassen tanzten.
    »Der im Auto gefunden wurde?«
    »Fragen Sie nicht so dumm, Sie wissen es doch ganz genau. Natürlich hat ihn irgendeiner von dem Diebsgesindel getötet, mit dem er befreundet war. Die Leute nehmen ja gewöhnlich ein solches Ende.«
    Hervey Lyne verfiel in Schweigen. Er schaute düster vor sich hin und dachte darüber nach, ob Binny ihn auch bestahl. Seit einiger Zeit war sein Verdacht gewachsen, da die Rechnungen bei der Kolonialwarenhandlung immer größer wurden. Binny hatte zwar erklärt, daß die Lebensmittelpreise in die Höhe gegangen seien, aber das war nach Lynes Meinung gelogen. Der Kerl gehörte zu diesen verdammt ruhigen Leuten, die vor ihrem Herrn kriechen, sich aber kein Gewissen daraus machen, ihn zu bestehlen. Es war höchste Zeit, daß er Binny entließ und einen anderen Butler engagierte.
    »Wann kommt dieser Bursche?« fragte er barsch.
    Binny schenkte am Nebentisch seinem Herrn gerade eine Tasse Tee ein. Er wandte den Kopf und sah ihn ungewiß an.
    »Wen meinen Sie? Die junge Dame ist um neun gekommen.«
    Hervey verzog verächtlich den Mund.
    »Sie Dummkopf, ich meine den Bankdirektor.«
    »Mr. Moran - um zehn.«
    »Bringen Sie mir den Brief - bringen Sie ihn sofort!«
    Binny stellte die Teetasse vor Mr. Lyne, blätterte in einem kleinen Stoß von Papieren, die auf dem offenen Sekretär lagen, und fand schließlich, was er suchte.
    »Lesen Sie vor - lesen Sie genau«, drängte der alte Mann.
    Sein Augenlicht, war sehr schlecht geworden. Er konnte wohl noch hell und dunkel unterscheiden, an dem lichten Schein erkennen, wo das Fenster lag, ohne Hilfe die siebzehn Treppenstufen hinaufsteigen, die zu seinem Schlafzimmer führten, und seinen Namen unterschreiben. Aber das war auch alles.
    Binny las mit monotoner Stimme:
    »Sehr geehrter Mr. Lyne, es wird mir ein Vergnügen sein, morgen vormittag um zehn Uhr bei Ihnen vorzusprechen.
    Mit vorzüglicher Hochachtung Leo Moran«
    Hervey lächelte wieder.
    »So, es wird ihm ein Vergnügen sein?« wiederholte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher