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0946 - Priester der Kälte

0946 - Priester der Kälte

Titel: 0946 - Priester der Kälte
Autoren: Manfred H. Rückert
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sich um Schreie handeln musste, die Wesen in höchster Not ausstießen. Sergej erschrak darüber so sehr, dass er seine Druidenkräfte sofort deaktivierte. Seine Augenfarbe wechselte unverzüglich von schockgrün zu blaugrau.
    »Das war wie damals bei ihr, vor so vielen Jahren«, hauchte er verstört und blickte Vali furchtsam an. »Wie bei…« Er getraute sich nicht, den Namen auszusprechen, gerade so, als würde die Nennung sämtliche Schrecken zurückbringen, die er Jahrhunderte lang erleiden musste.
    »So wie bei der Baba Yaga«, vollendete Vali den Satz. Sie wusste um die traumatischen Erlebnisse ihres Begleiters. Vor fünfhundert Jahren hatte er dem Mythos Baba Yaga nachgespürt und war daraufhin von der alten Hexe gejagt worden. »Baba« ist die russische Koseform von »Babuschka« , was Großmutter bedeutet. Allerdings war die Alte alles andere als eine liebende Oma. Großmütterchen Yaga ritt auf einem Ofen und lebte in einer kleinen Hütte, die sich bei Bedarf auf ein Paar Hühnerbeine erheben und durch die Gegend laufen konnte, wobei sie nicht nur ein enormes Tempo an den Tag legte, sondern auch eine immense Zerstörungskraft entwickelte.
    Yaga hatte Sergej erbittert bekämpft und den Kampf gewonnen. Zur Strafe hatte sie ihn überleben lassen. Daraufhin war ein psychisches und physisches Wrack aus ihm geworden. Es hatte viele Jahre gedauert, bis er wenigstens körperlich wieder der Alte war. Die seelischen Wunden hatten seine Artgenossen Luc Avenge und Vali geheilt, als Avenge Sergej vor etwas mehr als vier Jahren aus dessen kleinem ukrainischen Dorf zum Silbermond holte.
    An jenem Tag hatte Sergej zum ersten Mal seit den damaligen Vorkommnissen vor fast genau fünfhundert Jahren wieder seine Druidenkräfte ausprobiert. Es war ihm wie eine Befreiung vorgekommen, wie eine Art Neugeburt. Nie zuvor hatte er sich innerlich zufriedener gefühlt.
    Sergej nickte zu Valis Worten. »Wie bei ihr - der unsagbar Bösen.« Selbst nach so langer Zeit brachte er es nicht fertig, Baba Yagas Namen auszusprechen.
    Er blickte hoch und betrachtete die schnell dahin treibenden Wolken. Mittlerweile hatte es aufgeklart, blauer Himmel war zu sehen. Der Südwind brachte schwüle Luft mit sich. Sergej hatte noch nicht bemerkt, dass es seit einer Minute aufgehört hatte zu nieseln und dass die Sonne mit einem Mal mit voller Kraft brannte. Seit den frühen Morgenstunden war Regen gefallen und verwandelte die Landschaft in einen schmutzigen graubraunen Morast. Die Pfützen und feuchten Gräser dampften im brennenden Sonnenlicht. Es war nicht das Licht der Sonne des Wunderwelten-Systems oder der irdischen Sonne, dennoch leuchtete sie beinahe ebenso und enthielt annähernd die gleiche Lichtmischung. Diese Sonne war ein Teil der Traumsphäre, in der sich der Silbermond befand, seit er von Julian Peters, dem Träumer , dort hineinversetzt worden war. Sergej konnte sich kaum noch an das Wunderwelten-System erinnern, deshalb hatte er seine Begleiterin nach den Unterschieden gefragt.
    Vali besaß nur wenige Erinnerungen an ihr früheres Leben, genau wie Sergej. Sie konnte ihm nicht sagen, ob es stimmte, dass sich die Sonnen fast ähnelten. Sie hatte den Silbermond seit ihrem Erwachen vor nahezu dreizehn Jahren kaum verlassen. Das Licht dieser Sonne war ihr anfangs fremd erschienen, anders, heller als jenes, das sie vom untergegangenen System der Wunderwelten her kannte. Das war vor vielen Jahren durch die Selbstaufopferung der Druidenseelen zerstört worden, die einst den Silbermond in die durch eine Aktion der Meeghs entartete Sonne steuerten, um das System zu zerstören. Es sollte nicht in die Hände der spinnenköpfigen Meeghs und ihrer erbarmungslosen Herren, der MÄCHTIGEN, fallen.
    Viele Jahre später hatte der mittlerweile verstorbene Zauberer Merlin Ambrosius durch eine spektakuläre Aktion dafür gesorgt, dass der Silbermond gerettet wurde. Seitdem existierte der Silbermond, stets um fünfzehn Minuten in die Zukunft verschoben, in einer der Traumwelten von Julian Peters. Auf keinen Fall durften die Traumsphäre und die Zeitverschiebung irgendwann gleichzeitig aufgehoben werden, sonst war es um den Silbermond geschehen.
    Aber das war etwas, das Sergej nicht beeinflussen konnte, deshalb verbot er sich selbst jeden Gedanken daran. Solange Julian Peters Herr über seine eigenen Welten war, konnte ihnen nichts geschehen.
    Julian brauchte seine Traumwelten nicht ständig zu kontrollieren. Hatte er die erst einmal geschaffen, existierten
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