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0942 - Die blutige Lucy

0942 - Die blutige Lucy

Titel: 0942 - Die blutige Lucy
Autoren: Jason Dark
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erschienen.
    Lucy richtete sich auf.
    Im Zimmer hielt er sich nicht auf. Sie ging auch davon aus, daß er noch nicht das Innere des Hauses erreicht hatte, aber nicht mehr weit entfernt sein konnte.
    Die Kleidung hing nur mehr an ihrem Körper und behinderte sie beim Gehen, als sie auf das Fenster zuschritt. Sie raffte den Stoff hoch und blieb schließlich vor der Scheibe stehen.
    Welch ein Unterschied zur Nacht.
    Der heftige Sturm war abgeflaut, es war herrliches Wetter. Die Wolken, die in ihr Sichtfeld gerieten, konnte sie an einer Hand abzählen. Sie waren hell und trieben nur langsam über das herrliche Blau.
    Lucy Tarlington öffnete das Fenster. Ein Schwall kalte Luft erwischte sie und ließ sie frösteln. Tatsächlich waren die Temperaturen gefallen, sie mußten dicht über der Frostgrenze liegen. Das Meer hatte sich beruhigt, war aber nach wie vor aufgewühlt, denn breite Wogen liefen als schäumende Wellenkämme auf das Steilufer.
    Die dabei entstehenden Gischtfontänen hielten sich in Grenzen. Es gab überhaupt keine Vergleich zu den donnernden Wellenbergen der vergangenen Nacht.
    Lucy runzelte die Stirn. Da sie oft in diesem Haus übernachtete, kannte sie das Meer, und sie wußte auch, wie es nach einem Sturm aussah. Oft wie ein gewaltiger, ins Unendliche hineinreichender Teppich, der nie zur Ruhe kam, ständig wogte, immer auf der Wanderschaft war, aber stets an derselben Stelle blieb.
    Manchmal sah dieser Wasserteppich auch verändert aus. Da brachte er dann Dinge mit, die nicht zu ihm gehörten. Sie hatten sich zuvor in der Tiefe oder auch auf dem Wasser versteckt gehalten und waren dann von der aufgewühlten See an die Oberfläche gespült worden, so wie jetzt, denn Lucy erkannte sehr deutlich, daß sich auf dem Wasser, gar nicht mal weit vom Strand entfernt, etwas von den Wellen Richtung Ufer getragen wurde.
    Reste, Trümmer. Sie schaukelten auf den Wellen, und Lucy ahnte, daß dieser wilde Sturm ein Schiff erwischt und zertrümmert hatte.
    Sie nickte. Dabei zeigte ihr Gesicht einen versonnenen Ausdruck. Für sie stand fest, daß diese Trümmer etwas mit ihrem Schicksal zu tun hatten, und sie wollte auch nicht mehr länger in diesem Haus bleiben, sondern zu dem schmalen Strand laufen, wo sie schon des öfteren interessantes Strandgut gefunden hatte.
    Plötzlich wurde Lucy nervös. Die innere Wärme stieß wieder in ihr hoch.
    Lucy schloß hastig das Fenster und eilte aus dem Zimmer.
    Nebenan befand sich ein Waschraum. Sie mußte pumpen, um frisches Wasser zu bekommen. Der alte Hebel gab quietschende Geräusche von sich, als sie ihn bewegte. Im breiten Schwall sprudelte das Wasser hervor und füllte eine große Schüssel.
    Es war kalt, aber Lucy war daran gewöhnt. Sie zog sich aus, wusch ihren Körper, der eine Gänsehaut bekommen hatte. Sie klapperte mit den Zähnen, aber sie gab nicht auf, sondern beendete ihre morgendliche Toilette. Anschließend eilte sie wieder in den Nebenraum zurück. Im Schrank suchte sie entsprechende Kleidung. Sie brauchte dicke Wollsachen, um sich vor dem kalten Wind zu schützen.
    Zuletzt stieg sie in ihre hohen Schnürschuhe, die rauhe Sohlen aufwiesen, dann nahm sie noch den Mantel vom Haken. Das Innere war mit Fell gefüttert. Zudem hatte der Mantel eine Kapuze, die Lucy hochklappte und zuschnürte.
    So gekleidet verließ Lucy Tarlington ihr Haus. Für einen Moment blieb sie auf der Treppe stehen, als wollte sie die Böen genießen, die ihr Gesicht trafen.
    Sie hörte über sich das Schreien der Seevögel, die sich um irgendeine Beute stritten. Es war alles so normal. Trotzdem war etwas anders, und das spürte nur sie.
    Es war gekommen. Das Fremde hatte die Küste erreicht. Alle Anzeichen standen günstig. Das Schicksal hatte seine Arme ausgebreitet und ihr genau das hingeschoben, nach dem sie sich all die letzten Monate gesehnt hatte.
    Noch war es nicht zu sehen, obwohl das morgendliche Licht von einer nahezu unnatürlichen Klarheit war.
    Lucy nahm den direkten Weg zum Strand. Sie paßte auf, wohin sie trat, denn er führte fast steil nach unten. Große und kleine Steine waren Teil des Weges. Lucy machte mal lange, dann wieder kurze Schritte, und wer ihr zugeschaut hätte, der hätte gesehen, wie die junge Frau mit den dichten, langen, blonden Haaren tänzerisch wie eine Fee aus dem Märchen ihrem Ziel entgegeneilte.
    Der Wind war nicht eingeschlafen. Hin und wieder, wenn keiner der blanken Felsen sie deckte, da spürte sie den Anprall der Kälte. Sie fror ein wenig.
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