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0942 - Die blutige Lucy

0942 - Die blutige Lucy

Titel: 0942 - Die blutige Lucy
Autoren: Jason Dark
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seinen neuen Platz. Danach kümmerte sich Lucy um den Sarg. Sie löste zunächst das Seil, was ihr schwer genug fiel. Mit den bloßen Händen war es nicht zu schaffen, die Knoten hatten sich zusammengezogen. Sie ließen sich nicht mehr öffnen.
    Aus der Küche holte Lucy ein scharfes Messer. Sie säbelte das Seil durch und freute sich, als die letzten Fäden zerplatzten.
    Nein, der Sarg war noch nicht offen. Sie wußte auch, daß sie, um das Oberteil vom Unterteil zu lösen, wieder ein Werkzeug nehmen mußte, was sie auch tat.
    Sie fand den Spalt, sah die alten, verrosteten Verschlüsse und wußte, daß sie leicht aufzubrechen waren. Mit dem nötigen Druck brachte sie es fertig, auch wenn ihr die Klinge dabei zweimal abrutschte und sie beinahe verletzt hätte.
    Dann hatte sie es geschafft.
    Lucy trat einen Schritt zurück. Sie atmete zischend aus. Noch lag das Oberteil auf dem unteren, aber es war sehr simpel zu lösen. Lucy legte das störende Messer weg.
    An der linken Sargseite kniete sie nieder. Beide Hände drückte sie gegen das Oberteil, ruckte daran.
    Der Deckel bewegte sich etwas, und Lucy war zufrieden.
    Noch einmal setzte sie ihre ganze Kraft ein, dann rutschte der Deckel plötzlich weg wie auf Schmierseife. Er polterte zu Boden, und Lucy konnte in den Sarg hineinschauen. In den letzten Sekunden hatte sie noch befürchtet, sich getäuscht zu haben, doch das war nicht der Fall.
    In dem Sarg lag jemand.
    Ein totenbleicher Mann…
    ***
    Lucy hatte mit vielem gerechnet, auch damit, dennoch war sie so überrascht, daß sie einen Schritt zurücktrat, den leisen Laut der Überraschung nicht unterdrücken konnte und froh war, den Tisch in der Nähe zu wissen, wo sie sich abstützen konnte, bis der Schwindel verflogen war. Sie war für einen langen Moment aus dem Konzept gebracht worden und mußte sich wieder fangen.
    Sie traute sich nicht mal, in den offenen Sarg zu schauen. Zudem wurde sie durch das flackernde Licht der Kerzen leicht behindert, das von der rechten Seite her ihren Augenwinkel erreichte, und sie drehte den Kopf nach links.
    Die unruhige Helligkeit verschwand aus ihrem Gesichtsfeld, und sie schaute wieder in das normale Dämmer hinein, das den Raum ausfüllte. Die Vorhänge hielten die dunkler gewordene Helligkeit des Tages zurück. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen.
    Eine gute Zeit für ihn. Lucy selbst glaubte inzwischen daran, daß der Himmel nur deshalb aufgerissen war, um ihr die Möglichkeit zu geben, den Sarg zu bergen. Jetzt gehorchte die Natur wieder ihren eigenen Regeln.
    Die Zeit des Sich-Findens war vorbei. Lucy wollte sich wieder um die Dinge kümmern, auf die sie sich schon so lange vorbereitet hatte. Sie ging auf den Sarg zu. Den Leuchter ließ sie stehen. Das Licht strahlte weit genug, auch wenn es von einer gewissen Unruhe erfüllt war, da sich die Flammen leicht bewegten. Auch tote Gegenstände erfüllten sie so mit einem wundersamen Leben.
    Die Gestalt war tot! Nein, nicht für sie, nicht für Lucy.
    Jetzt lächelte sie, als sie sich vorbeugte, um das Gesicht genauer zu betrachten. Sie geriet so dicht an die Gestalt heran, daß ihr Atem die krausen Haare bewegte, die sich auf dem Kopf zusammenballten.
    Sie waren dunkel. Wie mit schwarzer Pomade beschmiert. Trotzdem aber kraus.
    Vorsichtig streckte Lucy ihre Hand aus. Sie strich mit der Fläche über das Haar und wunderte sich darüber, wie weich es war.
    Sie schob es nach hinten. Das Haar lag jetzt glatt auf dem Kopf, und es veränderte so das Aussehen des Gesichts. Es wirkte jetzt länger und schmaler.
    Ja, das Gesicht!
    Lucy hockte neben dem Sarg und betrachtete es mit einem versonnenen wirkenden Blick.
    Um die Kleidung kümmerte sie sich dabei nicht. Die dunkle Jacke und die dunkle Hose waren nicht wichtig, doch das Gesicht zog sie einfach in ihren Bann.
    Es wirkte fremd- romanisch. Die etwas spitze und trotzdem fleischige Nase, der Mund mit den breiten und nicht eben dicken Lippen, die Augen, die offen standen, dann die blassen Wangen mit den kleinen Mulden darin, das Kinn, der Hals, dessen Haut ein Muster aus Falten zeigte.
    Woher stammte er?
    Lucy wußte es nicht. Aus dem Osten, aus dem Süden. Jedenfalls war ihr klargewesen, daß er kommen würde, und nun war er da. Das Schicksal hatte ihm den richtigen Weg gewiesen, und Lucy würde ihn mit offenen Armen empfangen.
    Seine Haut war kalt. Aber nicht eiskalt wie Wasser oder Eis. Eine besondere Kälte, die sie auch nicht erklären konnte. Sie versteckte sich in der
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