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094 - Der Teufel von Tidal Basin

094 - Der Teufel von Tidal Basin

Titel: 094 - Der Teufel von Tidal Basin
Autoren: Edgar Wallace
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mehr, er war schon zu sehr daran gewöhnt. Auch die Streitigkeiten und Schlägereien der Betrunkenen auf der Straße, die hier häufig genug vorkamen, ärgerten ihn nicht, ebensowenig das schrille Geschrei der Kinder, die in dieser Gegend bis Mitternacht im Freien blieben. Schwere Lastautos rollten Tag und Nacht auf ihrem Weg zu den Lagerhäusern der Eastern Trading Company an dem Haus vorbei, doch Dr. Marford wurde nicht nervös.
    Er war erst Ende Dreißig, sah aber bedeutend älter aus. Seine Gestalt war schmächtig, und seine ergrauenden Haare lichteten sich schon. Er trug eine große Hornbrille.
    Lange Zeit stand er neben Elk am Fenster und schaute zwischen den roten Vorhängen auf die traurige Umgebung hinaus.
    »Das ist tatsächlich eine Hölle auf Erden«, meinte der Sergeant.
    Dr. Marford lachte leise.
    »Ja, und den Teufel dazu hat Mike Quigley erfunden. Ich muß immer lachen, wenn ich in der Zeitung lese ›Der Teufel von Tidal Basin‹.«
    »Diese verrückten Zeitungsschreiber! Selbst wenn man den Verbrecher gefaßt hat und alle Welt weiß, daß er nichts mit Tidal Basin zu tun hat, halten die Zeitungen immer noch an der Legende fest. Aber hier lebt nicht nur ein Teufel, hier leben Hunderte und Tausende!«
    Dr. Marford trat vom Fenster zurück.
    »Ich fürchte, ich habe die Legende vom Teufel von Tidal Basin noch unterstützt. Ich habe einmal mit Quigley darüber gesprochen, daß früher häufig ein seltsamer Patient zu mir kam. Jetzt ist er allerdings seit Monaten nicht mehr hiergewesen. Er kam stets mitten in der Nacht und trug eine Maske, weil sein Gesicht durch eine Explosion in einem Stahlwerk verunstaltet worden war.«
    Elk war interessiert.
    »Wo wohnt der Mann?«
    »Das weiß ich nicht. Quigley wollte es auch herausbekommen, aber es gelang ihm nicht. Für jede Konsultation erhielt ich ein Pfund - das ist vierzigmal mehr, als ich sonst bekomme.«
    Auf Elk schien diese Mitteilung keinen Eindruck zu machen. Er schaute immer noch auf die Straße hinaus.
    »Nichts als Unkraut!« sagte er.
    »Diese kleinen, schmutzigen Jungen werden vielleicht einmal politische Führer oder literarische Genies!«
    »Neun Zehntel von ihnen gehen sicher durch meine Hände! Und alle Behandlung mit Höhensonne und anderen Strahlen hilft nichts. Wer nicht in Dartmoor endet, kommt ins Armenhaus. - Kennen Sie eigentlich Mrs. Weston?« fragte Elk plötzlich. »Eine hübsche Frau mit einer großartigen Wohnung. Ganz ungewöhnlich hier in Tidal Basin. Man glaubt fast, man kommt ins Ritz-Carlton - ich war einmal bei ihr, als ein paar Straßenjungen ihr die Fenster eingeworfen hatten. Aber man muß sich vor ihr in acht nehmen, sie hat keinen guten Charakter.«
    Marford lächelte.
    »Dann kenne ich sie wahrscheinlich. Wenn sie zu den Frauen gehört, die ihre Arztrechnungen nicht bezahlen, kenne ich sie sogar ganz bestimmt. Aber warum fragen Sie mich nach ihr?«
    Elk nahm eine Zigarre aus seinem Etui und steckte sie an.
    »Sie sagte, sie kenne Sie«, erwiderte er, nachdem er zwei Minuten lang schweigend geraucht hatte. »Übrigens haben Sie eine hübsche Krankenschwester. Dieser Quigley ist doch sehr hinter ihr her?«
    »Ja«, entgegnete Marford ruhig.
    Er erhob sich, zog die Vorhänge zu, knipste das Licht an und holte aus einem Seitenschrank Whisky, Gläser und einen Siphon.
    »Ich bin nicht im Dienst«, sagte Elk auf den fragenden Blick des Doktors. »Ein Detektiv kann das allerdings kaum behaupten, denn er ist immer im Dienst.« Er zog einen Stuhl an den Schreibtisch. »Haben Sie eigentlich schon einmal Detektivromane gelesen?«
    Marford schüttelte den Kopf.
    Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon. Er nahm den Hörer ab, lauschte eine Weile, stellte ein paar Fragen und hängte dann wieder ein.
    »Ich habe zu viel zu tun, um Detektivromane oder andere Bücher zu lesen. Die Bevölkerung von Tidal Basin nimmt in erschreckender Weise zu.« Er machte eine Notiz auf seinem Schreibblock. »Diese Nacht muß ich wieder zu einer Entbindung. Ich soll gleich kommen, aber sie werden mich nicht vor drei Uhr morgens brauchen. Warum soll ich eigentlich Detektivgeschichten lesen?«
    Sergeant Elk nahm einen Schluck Whisky. Er ließ sich niemals zu Erklärungen drängen.
    »Ach, ich wünschte nur, daß so schlaue Zeitungsleute wie Mike Quigley einmal ein paar Monate praktische Arbeit bei der Polizei leisten müßten. Neulich habe ich in einem Kino im Westen einen amerikanischen Kriminalfilm gesehen. Da lernt man zuerst ungefähr zwanzig
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